Verschlusssache Liebeslaube – Der Tatauierungsverdienst
Prooimion
Erneut muss ich mich outen: Ich bin ein ›Reinhäutler‹, und ich bin extrem stolz darauf, obwohl ich – meiner Meinung nach – schon ganz viele Tattoos verdient hätte. Und genau darum geht es beim nachfolgenden Akt in der Liebeslaube. An diesem Punkt werden ›wir‹ übrigens (ein wenig) sehr persönlich. Es liegt und lag niemals in meiner Intention, irgendeine tätowierte Person zu diffamieren [sic!]. Ich hatte selbst öfters mal über eine ›Haartätowierung‹ an den Knien nachgedacht, wo mir einst die natürliche Beinbehaarung ›flöten‹ ging, wie ich heute mutmaße aufgrund einer schweren Erkrankung und deren Behandlung in der frühen Jugend. Wer nach der Lesung des Akts der Überzeugung ist, dass es gut gewesen wäre, wenn ich daran [an der o. e. Erkrankung] einst verstorben wäre, ist ein Arsch, ob tätowiert oder nicht.
Prolog
›Wer ist die, die da heraufsteigt aus der Wüste wie Rauchsäulen, durchduftet mit Myrrhen
und Weihrauch und mit allerlei Gewürzstaub des Krämers?‹ (Hld 3,6)
und Weihrauch und mit allerlei Gewürzstaub des Krämers?‹ (Hld 3,6)
Dialog
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ERZ: Jom Schlischi wurde zum Erholungstag ausgerufen. DV war, wie von DB prognostiziert, überwiegend auf den Topf und hatte einen Mordsschädel. Erst am späten Abend kam er zum Ausbau seines Shelters. DB half DV mental dabei, indem er ihm aus dem Beraterinnen-Buch ein wenig vorlas. DV hatte daraufhin eine unruhige Nacht. Heute ist der vierte Tag, Jom Revi'i, und es geht wieder in die Laube.
DB: Hör doch auf mit dem ständigen Gekreische.
DV: Ich brauche das.
DB: Steig ab, dann stelle ich dir eine blöde Frage.
DV: Das ist jetzt nicht gerade eine Motivation.
DB: Heute werde ich von der Tradition nicht abrücken.
DV: Was meinst du damit?
DB: Runter mit dir, sonst verliere ich absichtlich das Gleichgewicht, entweder nach hinten oder wahlweise zur Seite.
DV: Schon gut, ich mach ja schon.
ERZ: DV verlässt den Rücken von DB, wie gehabt auf eine sehr unspektakuläre Weise, die wenig graziös wirkt und von mir niemals beschrieben werden wird.
DB: Kühlschrankstuhl?
DV: War das schon deine irrsinnig-unsinnige Frage?
DB: Nein, setz dich erstmal, dann kann es losgehen.
ERZ: DV setzt sich auf den Stuhl nahe dem Kühlschrank und schlägt die Beine übereinander – das rechte über den linken.
DV: Ich bin bereit.
DB: Bereit wofür? Willst du deine Spermienproduktion zum Erliegen bringen, indem du sie überhitzt, oder stehen Frauen neuerdings auf Krampfadern bei Männern?
DV: Was soll ich dir darauf nur antworten?
DB: Deine Gegenfrage reicht mir völlig aus, um zu wissen, dass du wieder in die, von dir und an dir selbst geliebte, Politikerrolle eingetaucht bist. Entspann dich einfach.
DV: Mit dir an einem Tisch, da bin ich nie die Ruhe selbst.
DB: Bisweilen stehe ich noch. Verunsichert dich das auch?
DV: Ja, das tut es sogar noch mehr. Bitte nimm also deinen Platz ein und stelle mir deine dämliche Frage.
ERZ: DB kommt der Bitte nach. Er hebt sein linkes Bein über die Lehne und schwingt sich so gekonnt breitbeinig auf den Stuhl. Danach stützt er seine Unterarme auf den runden Tisch, streckt seine Hände aus und kommt in aufrechter Position sehr nah an DV heran.
DB: Warst du schon mal in Neuseeland?
ERZ: DV lacht laut auf.
DB: Was ist daran so lustig?
DV: Sorry. Das Riker-Manöver! Echt, Tony? Verwegen.*
DB: Weshalb soll das verwegen sein?
DV: Hast du schon mal in den Spiegel geschaut? Ich gebe dir noch ein paar Tage, dann kannst du problemlos den Neandertaler-Riker aus der Folge Genesis doubeln.
DB: Vorsicht, mein Freund. Ich fühle mich eher wie der William Butcher aus The Boys, als ein Riker von der Enterprise.
DV: Darf ich dich dann Billy nennen?
DB: Wenn du damit klarkommst, dass ich in jeden zweiten Satz und in allen Variationen Vulgärwörter wie fuck oder shit einbaue, dann ja, sehr gerne. Tu dir keinen Zwang an.
DV: Bekommst du auch seinen Estuary-English-Akzent hin?
DB: Womit wir wieder beim Thema wären und meiner im Raum stehenden Frage: Warst du schon mal in Neuseeland?
DV: Ich bin mir ziemlich sicher, dass du die Antwort kennst.
DB: Da kannst du einen drauf lassen und mit einem kleinen Spritzer Gleitgel eine bissfeste Kartoffel durchrammeln.
DV: Okay, okay. Die Sache mit dem Billy ist gestorben. Ich werde dich nicht mehr auf deinen Bartwuchs ansprechen.
DB: Auch nicht für eine deutsche Schokoladen-Furztorte?
DV: Igitt! Nein und nochmals nein. Ich war noch nie in Neuseeland. Genügt dir das? Bist du nun zufrieden?
DB: Ja, absolut. Vor allem, weil ich weiß, dass du nur allzu gerne mal diesem Inselstaat einen Besuch abstatten würdest.
DV: Woher willst du das wissen?
DB: Sagen wir es mal so: Xena und Hercules wurden dort gedreht. Und tief in deinem Inneren trägst du das Faible in dir, ehemalige Film- und Serienkulissen zu besichtigen.
DV: Besichtigen. So ein Quatsch. Erkunden würde ich sie.
DB: Und dabei täte dir ein Tā moko im Gesicht gut stehen.
DV: Ein Tā mo..., was bitte?
DB: Ein Moko ist eine zumeist dauerhafte, ja, nennen wir es ruhig Verzierung, erstellt mit Schabern und mit Kratzern.
DV: Du sprichst von einer Gesichtstätowierung?
DB: Ich kenne einen Tohunga, der dir das machen könnte.
DV: Einen Moment. Was ist bitteschön ein Tohunga?
DB: Witzig, dass du fragst. Im Prinzip kann das alles sein. Mein Bekannter hat indes den gleichen Beruf wie ich inne.
DV: Er ist ein politischer Berater und macht Tattoos?
DB: Die Tatauierungssache betreibt er im Nebenerwerb.
DV: Aha. Schön und gut, aber ich habe kein Interesse.
DB: Ich könnte es dir möglich machen. Er verwendet ausschließlich alte Werkzeuge, wie die Knochen von Albatrossen, und auch bei der Gewinnung der Farbstoffe legt er sehr großen Wert auf das Harz von Kauri-Bäumen, die Pilze ...
DV: Stopp! Selbst wenn ich daran interessiert wäre, hätte es einen Beigeschmack von kultureller Aneignung. Und ich sage das, obwohl ich keinerlei Ahnung von den althergebrachten Traditionen der Māori habe.
DB: Keine Sorge deswegen. Wenn einer fragt, hat er lediglich ein Kirituhi, eine Art von Hautschrift, angefertigt. Es ähnelt zwar dem Tā moko, ist aber symbolisch keins.
DV: Ich kann dir nicht folgen und will es auch nicht. Es ist und bleibt eine Übernahme, eine illegitime Inanspruchnahme kulturellen Erbes, die man nicht gutheißen kann.
ERZ: DB entfernt sich daraufhin von DV und stützt seinen Rücken gemütlich an die Lehne. Danach legt er den Knöchel seines rechten Beins auf das Ende seines linken Oberschenkels ab und kreuzt die Hände auf Hüfthöhe aneinander.
DB: Hervorragend. So können wir miteinander arbeiten.
DV: Ich hab dich noch nie mit angewinkeltem Bein sitzen sehen, wenn ich das mal erwähnen darf. Ist das nicht auch, sagen wir, nicht gerade förderlich für irgendwas?
DB: Mag sein, das interessiert mich wiederum nicht.
DV: Wie könnte deine Reaktion ausfallen, wenn ich mich augenblicklich breitbeinig hinsetzen würde?
DB: Ich müsste all meine Aufmerksamkeit deinem Gesicht widmen. Für mich macht es nämlich den Eindruck, dass du unter deiner hellgrauen Drillichhose mit Stresemannstreifen nichts trägst. Bedauerlicherweise wissen mittlerweile alle – und das will ich betonen: unfreiwillig – über deine außerordentliche, nun ja, ›Bestückung‹ zwischen den Beinen.
DV: Aus dir spricht offenbar der blanke Neid.
DB: Auf die Hose, gewiss, die hat einen unverwechselbaren Vintage-Style, insbesondere der Hosenträger unterstreicht die klassische Note des Althergebrachten. Schaut verdammt echt aus, eine ausgezeichnete Replik. Wo hast du die her?
DV: Aus dem Kleiderschrank.
DB: Wie bitte?
DV: Bei unserem letzten Aufenthalt sagtest du doch selbst, bevor du ins Bad gingst, dass ich mir ruhig ein paar Kleidungsstücke von deiner Sam ausborgen könnte.
DB: Das scheint mir unmöglich. Retro ist nicht ihr Look.
DV: Zudem ist es eine typische Herrenklamotte. Ich fand übrigens noch mehr solcherlei Kleidungsstücke, die sicherlich nichts in einer Frauen-Garderobe zu suchen haben.
DB: Dafür wird es bestimmt eine logische Erklärung geben.
DV: Wenn du mich fragst, würde ich behaupten, sie hatte ab und an auch Verwalter als Gäste, also männliche Politiker.
DB: Das wäre mir gänzlich neu.
DV: Mich dagegen verwundert so etwas ganz und gar nicht.
DB: Nonsens! Das werden Geschenke für mich sein.
DV: Das eingenähte Etikett mit Datumsangabe widerspricht deiner These eindringlich. Zumal bist du gut und gerne 10 Zentimeter größer als ich. Dir ist das Teil deutlich zu kurz.
DB: Es wird als Knickerbocker gedacht gewesen sein.
DV: Das wäre dann aber eine sehr lange Überfallhose.
DB: Korrektur: Es ist eine Plus four, das sieht doch jeder.
DV: So wird es sein. Ich will mich ja nicht in eure Beziehung einmischen, aber für mich stinkt das gewaltig.
DB: Vielleicht gehört sie auch Milutin. Er ist größer als ich.
DV: Eher seinem Ur-Ur-Großvater – Stichwort: Datum.
DB: Milutin besucht gerne Flohmärkte.
DV: Selbst wenn dem so sei, was macht sie dann im Schrank von deiner Lebensgefährtin – or what ever.
DB: Auch dafür wird es eine logische Erklärung geben.
DV: Und wenn du den Schneid hast, sie darauf anzusprechen, wird sie dir sicherlich eine Geschichte dazu auftischen.
DB: Lassen wir jetzt diese kindische, unprofessionelle Lappalie. Kommen wir zurück zu den Tätowierungen.
DV: Das ist sehr schade. Um ehrlich zu sein, reizt mich das Thema in gewisser Weise. Wie schon erwähnt, war es ja nicht nur eine Hose, die ich da im Schrank entdeckte.
DB: Wir besprechen die Angelegenheit später.
DV: Wie du meinst. Ich werde dich erinnern. Ich hätte dazu nur noch eine weitere Frage, die mir auf den Lippen brennt.
DB: Wenn es sein muss, dann stelle sie mir.
DV: Danke. Wem gehört überhaupt dieser viel zu große Rentier-Pullover? Der muss ja ungeheuerlich auftragen.
DB: Das ist tatsächlich ihrer. Er ist ein fester Bestandteil ih-res Weihnachts-Outfits.**
DV: Aha. Verstehe. Darf ich fragen, ob sie bei der, von dir obligat dargebrachten, Fußmassage*** die dazu passenden, dicken Sherpa-Socken auszieht oder anbehält?
DB: Das geht dich nichts an.
DV: Ich vermute mal stark, sie trägt darunter die gestrickte grüne Weihnachtslegging mit den vielen Mustern drauf.
DB: Du hast deine Antwort bereits bekommen.
DV: Das eine rote Dessous mit den Quasten dran ist erstaunlich weit geschnitten. Kann sie das überhaupt ausfüllen?
DB: Es war ein unglaublicher Fehler meinerseits, dir einen Blick in ihren Kleiderschrank zu gestatten. Nüchtern wäre ich nie auf die Idee gekommen.
DV: Apropos. Weswegen hast du denn diese Flasche mit dem Bärenmotiv-Label hier mit reingebracht?
DB: Das war rückblickend ebenfalls ein Fehler.
DV: Tja, und seither steht sie demonstrativ auf dem Tisch und der Bär brüllt mich an. Lese ich das richtig: Bear Fight?
DB: Das ist ein American Single Malt Whiskey, mehr oder weniger von Seth Woodbury MacFarlane.****
DV: Dem Macher von Family Guy, American Dad, Ted ...?
DB: Oder von The Orville. Ja, genau der. Weißt du, es war nicht ganz einfach, an die heranzukommen.
DV: Bei euch kommt wohl nicht alle Tage ein Briefträger oder ein Paketdienstzusteller vorbei.
DB: Sehr witzig. Wie auch immer, das hat zu warten.
DV: Können wir wirklich so einen edlen Tropfen unbeachtet lassen? Ich meine, jetzt wo er schon mal hier ist, ...
DB: Du wolltest doch nie mehr Alkohol trinken.
DV: Für dich und die Pulle mache ich gerne eine Ausnahme.
DB: Wehe, du kotzt mir wieder ...
DV: Davon gehe ich nicht aus. Das Teil ist noch verschlossen. Alkohol mit 45 Prozent sollte ewig halten.
DB: In Ordnung. Unter einer Bedingung jedoch: Du wirst, wenn ich pinkeln gehe, nicht ihre Kommode öffnen.
DV: Nun, ich bräuchte ein paar neue – oder alte? – Slips.
DB: Gut. Wir werfen gemeinsam einen Blick hinein.
DV: Dann ist es abgemacht. Auf in den Bärenkampf!
Epilog
Die wohl unwichtigste Frage lautet: Werden DB & DV Tumbler-Gläser benutzen oder direkt aus der Flasche trinken?
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* Das Riker-Manöver: https://youtu.be/s9Sh9XvPPWQ?feature=shared.
** Glas, Alexander. D|B D|V – Die|Beratenden Die|Verwaltenden, 1. Auflage des Hardcovers. Seite 108, Zeilen 1–2. Bookmundo, Rotterdam [01.04.]2024, ISBN 978-9-403739-95-3.
*** Glas, Alexander. D|B D|V – Die|Beratenden Die|Verwaltenden, 1.Auflage des Hardcovers. Seite 212, Zeilen 30–31. Bookmundo, Rotterdam [01.04.]2024, ISBN 978-9-403739-95-3.
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