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Verschlusssache Liebeslaube – Kirchweihfeste²

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V-Theorie (Pt. 12b)
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Prooimion
Rund eine Stunde später fanden DB und DV wieder zusammen. Als Hinweis: Es gibt eine entfallene Szene, die diese Zeitlücke schließt. Weder Protagonist noch Deuteragonist treten darin auf und der Spielort ist auch nicht die Liebeslaube. Jener Zwischenakt, so viel sei vorweggenommen, behandelt die Figur des Tritagonisten Kenny (ERZ), welcher es vorzog, nicht an der holografischen Projektion teilzuhaben. DB war damit einverstanden.

Prolog
›Ich will nun aufstehen und umher gehen in der Stadt, in den Gassen und auf den Straßen,
ich will suchen, den meine Seele liebt; ich suchteihn, und fand ihn nicht.‹ (Hld 3,2)

Dialog
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ERZ: Das war eine wunderschöne Stunde.
DB: Finde ich auch.
DV: Was findest du auch?
DB: Wir sollten wieder an unserem kleinen, runden ›Küchentisch‹ Platz nehmen.
DV: Warum hat der überhaupt eine Stange in der Mitte, die vom Boden bis zur Decke ragt?
DB: Das willst du nicht wissen.
DV: Wird darauf im Buch noch Bezug genommen?
DB: Nicht in dem, das du die letzte Stunde gelesen hast.
DV: Erzähle es mir trotzdem.
DB: Es wird dir eine schlaflose Nacht einbringen.
DV: Ich nehme das Risiko in Kauf.
DB: Also gut. Die Tischplatte ist höhenverstellbar, man kann sie unter anderem bis zum Boden herunterziehen.
DV: Und auch ganz nach oben?
DB: Ja. Jedenfalls dient sie Sam für ihre Leibesertüchtigung.
DV: Leibesertüchtigung? Wie darf ich das verstehen?
DB: Sie betreibt Poledance.
DV: Echt jetzt? Und die Info soll mir eine schlaflose Nacht einbringen? So ein Blödsinn. Das ist doch toll.
DB: Sage bitte niemals einer Frau, dass du etwas ›toll‹ findest, darauf reagieren die allermeisten leicht allergisch, unabhängig davon, wie deine Intensionen bei der betreffenden Person abgesteckt sind.
DV: So ein Schmarrn.
DB: Du kannst toll Kaffee kochen. Du machst tolle Erfolge. Todd, du bist ein toller Mann, aber ...
DV: Schon gut, ich hab's verstanden. Das hört niemand gern.
DB: Die Erfahrung spricht aus mir. Als mein Deutsch noch nicht so gut war, warf ich Sam mal jenes vernichtende Wörtchen ›toll‹ um die Ohren. Daraus habe ich gelernt, vor allem in Bezug auf ihre Stangenakrobatik. Allemal mag ich es lieber, wenn sie mir einen Lapdance vorführt, insbesondere weil ich da – Überraschung  – mit einbezogen werden muss.
DV: Aha.
DB: Wenn mir ihre Trainingseinheiten – meist über die Weihnachtsfeiertage – mal wieder zu lange dauern, dann sage ich oft so etwas wie ›Du machst es toll‹, gefolgt von ›Das ist eine wirklich tolle Leistung‹. Hat sie es dann immer noch nicht begriffen, lege ich noch einen Satz nach, wie beispielsweise ›Du bist eine ausgezeichnete, eine famose, eine wirklich tolle, eine echt überaus dolle Pooldancerin, Sam‹.
DV: Schon gut. Das würde sogar ich begreifen.
DB: Das ist naturgemäß ein Spiel mit dem Feuer, das allerdings in der Liebeslaube ausgezeichnet funktioniert.
DV: Wieso das?
DB: Außer dem Bad gibt es quasi keinen Rückzugsort.
DV: Tony, eigentlich interessiert mich das alles nicht. Meine Nachfrage war irgendwas zwischen höflich und instinktiv.
DB: Willst du denn wieder ins Bad flüchten? Wenn ja, erzähle ich es der Figur neben mir.
ERZ: Ich kenne bereits deine Spielchen.
DV: Wem willst du es erzählen?
DB: Der Skulptur auf dem Kredenztisch da drüben.
DV: Das Teil scheint unsichtbar zu sein. Ich sehe nichts. Warum sitzen wir überhaupt nicht dort? Der Tisch bietet eine wesentlich größere Ablagefläche, ist länger ...
DB: ... und er steht an der Wand.
DV: Was spielt das für eine Rolle?
DB: Willst du etwa, dass wir nebeneinander sitzen?
DV: Wir könnten die Stühle auch ans Kopfende stellen.
DB: Ich sitze gern breitbeinig, nicht nur beim Lapdance.
DV: Alles klar. Wollen wir dann mal loslegen.
DB: Ich habe dir das ›Feuerspiel‹ noch näher zu erläutern.
DV: Und ich verspüre immer noch kein Interesse daran.
DB: Gut, dann ein andermal vielleicht. Jedoch sollte dir im Klaren sein, dass dein Instinkt nicht typisch männlich ausgeprägt ist, um es mal höflich zu formulieren.
DV: Hoffentlich redest du nur mit mir so.
DB: Vertraue mir, ich weiß stets, was ich tue.
DV: Abgedroschene Sätze hast du allemal drauf.
DB: Wie auch immer. Die Mission ›Kirchweihfeste‹ kann sich nicht selbsterfüllen. Gehen wir es also an.
DV: Kirchweihfeste?
DB: Ja, du hast schon richtig gehört. Als Basis dafür dient uns meine immer noch aktuelle Mission ›12plus12‹.
DV: Die ›Sache‹ mit der Feiertagsregelung nach Konfession.
DB: Ausgezeichnet. Du erinnerst dich daran. Das solltest du wirklich mal umsetzen. Ich habe mir jedenfalls die Mühe gemacht und die Tabelle ein wenig angeglichen.
DV: Wann hast du dafür Zeit gefunden?
DB: Als du ins Bad gingst, um zu Lesen. Schau mal ...*
DV: Mein ehrliches Kompliment. Das hast du wirklich toll gemacht. Du bist ein toller Mann, Tony. Wie du das immer hinkriegst, ist mir schleierhaft. Wenn jeder so toll wäre wie du, gäbe es keine tollkühnen Kriege auf dieser Welt.
DB: Bist du gerade ›rückfällig‹ geworden?
DV: Ich verstehe nicht ganz.
DB: Wolltest du mich soeben abschleppen?
DV: Nein, wieso? Moment. Sagtest du gerade ›rückfällig‹? Es wird ja immer schlimmer. Das ist geradezu ungeheuerlich!
DB: Verzeihe. Du hast das mit dem Einsetzen des Wortes ›toll‹ noch nicht so richtig begriffen. Die ersten zwei Sätze waren in Ordnung, aber die anderen beiden, vor allem das mit den Kriegen auf der Welt, das geht absolut nicht.
DV: Was ist daran verkehrt? Das war doch ein tolles ... Entschuldigung, ich meinte, das war ein brillantes Wortspiel. ›Krieg‹ und ›hinkriegen‹. ›Toll‹ und ›tollkühn‹. Verstehst du?
DB: Das schnallt sogar ein Vorschulkind. Verwende in meiner Gegenwart am besten gar nicht mehr das Wort.
DV: Du beleidigst mich fortwährend.
DB: Schön. Pardon. Wie findest du jetzt die neue Tabelle?
DV: Die Spalte mit dem Datum hast du herausgelöscht.
DB: Fiel dir nicht mehr auf?
DV: Bedauere, nein.
DB: ›Sunniten‹ habe ich unter ›Sonstige Minderheiten‹ gepackt und die Spalte ›Konfessionslose‹ wurde mit der Spalte ›Orthodoxe‹ vertauscht, also in der Aufführung, nicht bei den Werten, die blieben gleich. Dann habe ich noch die Breite ...
DV: Ja, schon gut. Gratulation. Great job. Wenn sonst nichts mehr ist, können wir ja wieder aus der Laube herausgehen. Ich wäre bereit für deinen Huckepacklauf durch die Pforte.
DB: Nicht so schnell. Das ist doch nur die Basis für die Mission ›Kirchweihfeste‹. Man muss die Leute zuerst einmal verorten, sprich: richtig einordnen.
DV: Und Schubladen findest du dafür geeignet.
DB: Notwendig. Wir hatten das doch seinerzeit alles geklärt. Du fandest es zwar nicht ›toll‹, aber du hast all meine Vorschläge ohne viel Tamtam hingenommen.
DV: Zur Kenntnis genommen. Wochentage verschieben, sodass der Sonntag der erste Tag der Woche ist – welch ein Unfug. Ich hatte dich des Öfteren als ›verrückt‹ bezeichnet.
DB: Das waren noch schöne Zeiten.
DV: Ich sag es heute gerne wieder: Du bist verrückt.
DB: Und Jenny war es auch. Ihr damaliger Poledance im Irish Pub war grandios. Später gab sie mir dann noch eine Privateinlage. Mann, Toddy, mit der ist dir was entgangen.
DV: Redest du von Jenny? Meiner Ex-Assistentin? Die gleiche, die jetzt mit dem Serben zusammen ist?
DB: Er ist der Assistent von Sam und heißt Milutin.
DV: Ich weiß, wie er heißt. Lenk nicht ab. Du warst nach unserem ›12plus12‹-Meeting  echt bei Jenny zu Hause?
DB: Jeannie war anfangs davon nicht so begeistert, aber ...
DV: Stopp! Kein Wort mehr aus deinem Mund dazu. Sag mir lieber, weswegen die Juden keine eigene Spalte bekamen?
DB: Weil das Judentum eine Minderheit in deinem Land ist.
DV: Das klingt leicht antisemitisch.
DB: Mein lieber Tony, ich weiß nicht, warum ich es erwähnen muss, aber ich selbst – persönlich – stehe dieser Glaubensreligion sehr nahe. Überaus nahe. Sam ist Hebräerin.
DV: Ein Judenfreund – der heilige Antonius der Große. Oder hatte ich mich gestern da verhört, als dich Sam so ansprach.
DB: Antonius Abbas reicht für dich völlig aus.
DV: Oha! Ein Mann mit dem doppelten A als Initialen gibt sich betont großherzig. Gehen wir mal aus Spaß davon aus, dass es stimmt und du bist dieser christliche Mönch. Der Vater aller Mönche, um genau zu sein. Wenn ich mich nicht irre, war das einer der vier heiligen Marschälle, der Schutzpatron der Haus- und Nutztiere, allen voran der Schweine, des Weiteren der Seuchen, ...
DB: … und auch für jeden französischen Fremdenlegionär.
DV: Das höre ich zum ersten Mal.
DB: Mich wundert es ohnehin, dass du so viel über Schutzheilige weißt. Du bist doch Atheist.
DV: Agnostiker, mehr oder weniger.
DB: Da will ich jetzt doch mal nachfragen.
DV: Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte.
DB: Ich bin eben neugierig. Und mit ›12plus12‹ wäre das älteste Tabu – neben der Sexualität – sowieso gebrochen.
DV: Also gut, wenn du es unbedingt erfahren willst. Das bleibt aber unter uns.
DB: Selbstverständlich. Es bleibt unter uns dreien.
DV: Wir sind hier nur zu zweit.
DB: Der Blogger ist bestimmt nebenan, im inneren Diateichisma, zusammen mit Li und Jeannie.
DV: Woher weißt du das?
DB: Ich vernehme irgendwie seine Anwesenheit.
DV: Wenn er hinter – oder zwischen – den Mauern ist, kann er uns ja keinesfalls hören.
DB: Wie war übrigens sein Buch über MeiTe und Sam?
DV: Ich will darüber jetzt nicht sprechen.
DB: Hab ich zu viel verraten? War es verstörend für dich?
DV: Ich bin nicht einmal zur Hälfte durch. Doch ich befürchte, es wird darauf hinauslaufen. Ich werde das mit MeiTe ernsthaft bereden müssen.
DB: Davon würde ich abraten. Sie sollte nicht von dir in Erfahrung bringen, dass du das Buch gelesen hast.
DV: Da sie offenbar und bisweilen nichts von dessen Existenz weiß, wird sie mich ergo niemals dazu befragen.
DB: Das wäre geradezu ein traumhafter Glücksfall.
DV: Wenn ihr den Typen nicht verklagt, dann tue ich es.
DB: Keiner von uns wird dagegen etwas unternehmen.
DV: Und wieso nicht?
DB: Wegen der Bevölkerung. Die wenigen Leser sollten im Glauben bleiben, dass es sich um eine Fiktion handelt.
DV: Und wenn jemand von meinen Kollegen das Ding in die Hände fällt, was denkst du, was wird dann wohl passieren?
DB: Ich kann mir vorstellen, worauf du anspielst. Vertraue mir dahingehend. Wenn einer wirklich meint, irgendwen aus dem Buch im echten Leben wiederzuerkennen, werden wir diese betreffende Person unter strengste Beobachtung stellen.
DV: Und wie genau wollt ›ihr‹ das machen?
DB: An dieser Stelle solltest du auf weitere Fragen verzichten. Sofern du involviert wirst, regeln wir das. Nur im allernötigsten Fall – im unwahrscheinlichsten aller Fälle – müsstest du in unsere Tätigkeiten einbezogen werden.
DV: Wie überaus beruhigend.
DB: Lese das Werk doch erst einmal zu Ende. Danach können wir uns immer noch darüber unterhalten. Kritischen Buchbesprechungen gegenüber bin ich nicht abgeneigt.
DV: Aha. Marcel Reich-Ranicki lässt grüßen.
DB: Ein eigenes literarisches Quartett ..., die Idee könnte glatt von mir sein. Wie wär das: Wir laden den Blogger dazu ein.
DV: Und wer soll der Vierte im Bunde sein?
ERZ: Ich böte mich an.
DB: Wir finden einen weiteren Teilnehmer. Nun sag aber, wie war das jetzt gleich noch mal mit deinem umfangreichen Wissen über Schutzpatronen? Von wem hast du es erlangt?
DV: MeiTe.
DB: Die Teuerste steckt dahinter. Na sowas.
DV: Deine Sambethe nennt sie ›ihre Liebe‹.
DB: ›Meine Liebe‹, so bezeichnete Sam sie. Eine gewisse Doppeldeutigkeit war da zu spüren. Findest du nicht auch?
DV: Der Eindruck erschloss sich mir eher nicht.
DB: Fakt ist, Sam hat sie, gewollt oder nicht, ein wenig näher an den Glauben gerückt. Eine nachvollziehbare Randerscheinung, wie ich behaupten will.
DV: Wie kommst du darauf?
DB: Du wirst es verstehen, wenn die beiden auf der Kain-Seite angekommen sind. Wollen wir dann weitermachen?
DV: Mit was?
DB: Mit der Mission. Was sonst? Du erinnerst dich hoffentlich noch daran, was es auf sich hatte mit den Eintragungen.
DV: Eintragungen? Helfe mir ein wenig auf die Sprünge.
DB: 0, 1 und X. Ich würde mich dazu gerne selbst zitieren?
DV: Wenn es denn sein muss.
ERZ: DB nimmt das Buch in die Hand und schlägt die Seite 52 auf. Er muss ein bisschen nach der Passage suchen.
DB: Da ist es ja. Ich zitiere: ›Der Eintrag '1' steht für 'diese Person hat an jenem Tag frei', '0' für das Gegenteil und 'x' für eine gewisse Abhängigkeit, ob das jeweilige Individuum betroffen ist oder nicht.‹**
DV: Das fühle ich nicht. Hattest du das seinerzeit tatsächlich so derb geschwollen formuliert?
DB: Wenn es da drin steht, wird es stimmen. Immerhin siezten wir uns damals noch.
DV: Schöne Zeiten waren das.
DB: Der heutige Tag ist genauso wie gestern, nur anders. Oh, dieser Abschnitt ist gegebenenfalls noch wichtig. Ich will ihn zitieren. Er erklärt die angedeutete ›gewisse Abhängigkeit‹.
DV: Wenn es denn sein muss.
DB: Du wiederholst dich. Ich fange an. Und zur Erinnerung: Wir waren noch nicht per Du.
DV: Ich bin nicht blöd. Jetzt leg schon los.
DB: Also gut, da steht geschrieben: ›Gehen wir mal von einer Absurdität – für Sie – aus. Unter folgender Annahme hätten Sie alle christlichen Tage frei: Sie haben als Agnostiker ein Kind, das sich für den Glauben entschied. Es lässt sich beispielsweise katholisch taufen, sagen wir so kurz vor der Kommunion. Meinen Sie jetzt nicht auch, dass Sie in diesem speziellen Fall ein Anrecht darauf hätten, Ihr minderjähriges Kind an solchen, für das Kind wichtigen Tagen nicht völlig auf sich allein gestellt zu lassen?‹***
DV: Schön und gut. Und danach hast du mir geraten, ein Kind aus einem katholischen Waisenhaus zu adoptieren.
DB: Ich habe dir zu einem Besuch einer solchen Institution angeraten, da ist ein kleiner, aber ein feiner Unterschied.
DV: Das ist jetzt eine reine Schutzbehauptung von dir.
DB: Du hast es eh nicht getan.
ERZ: DB legt das Buch wieder beiseite.
DB: Der Rest ist für unsere Mission uninteressant, es ging nur noch um Geld, steuerlichen Kram und andere, eher nebensächliche, Aspekte.
DV: Wie zum Beispiel arbeitsfreie Tage am Entstehungstag und am Namenstag.
DB: Dies solltest du in jedem Fall umsetzen.
DV: Die Kollegen lachen mich aus, sofern ich das auch nur innerparteilich vorschlage.
DB: Dann sag einfach, die Idee wäre von deiner Assistentin.
DV: Das Lustigste dabei wäre, man würde mir diese kleine Flunkerei sogar ohne eine Nachfrage glauben.
DB: Du musst das natürlich vorab mit Jeannie besprechen.
DV: Nur hypothetisch gefragt: weswegen?
DB: Ich vermute, dass sie in den letzten 9 Monaten keine einzige Feierlichkeit unter euch Genossen ausgelassen hat.
DV: Woher weißt du das? Steht sie unter Beobachtung?
DB: Wie kommst du denn darauf? Viele Jahre war sie meine Assistentin. Sie ist im Grunde leicht zu durchschauen.
DV: Mein lieber Double A, diese Antwort kaufe ich dir nicht ab. Sorry. Ich kenne sie mittlerweile selbst ziemlich gut.
DB: Du hast recht, Mister Ty. Die traurige Wahrheit ist: Sie hat Li nahezu jede Kleinigkeit aus ihrem Leben mitgeteilt.
DV: Tilly, der Schneiderin. Wirklich jetzt?
DB: Wenn ich es dir doch sage. Ich kann mir sogar vorstellen, dass sie auf ihren Wandkalender jeden einzelnen Tag ausgeixt hat, bis zu dem Datum an dem sie ihre Illi, wiedersehen wird.
DV: Das glaube ich nicht.
DB: Schau dir einfach ihren Kalender in ihrer Wohnung an. Ich gehe jede Wette ein, dass da viele rote Kreuzchen sind.
DV: Du meinst meinen Kalender in meiner ehemaligen Wohnung. Da will ich eigentlich nicht mehr hin.
DB: In dem Fall prüfe zuerst den Kalender im Vorzimmer, der sieht unter Garantie nicht unwesentlich anders aus.
DV: Sie benutzt zahlreiche Kalender im Büro. Einen an der Wand, einen als Schreibunterlage, dann noch einen Tischkalender und ferner einen Terminplaner. Augenblick. Ich glaube, ich hab da mal so Markierungen erkannt. Das waren aber eher Punkte oder kleine Kreischen. Und die wurden mit einem Kugelschreiber gemacht, nicht mit einem roten Filzstift.
DB: Ich tippe auf unauffällige Herzchen.
DV: So genau hab ich nicht hingeschaut.
DB: Dann tue es – oder konsultiere vorher einen Augenarzt. Möglicherweise brauchst du ja eine Lesebrille.
DV: So ein Quatsch. Aber ich glaube MeiTe sieht nicht mehr so gut. Das kann aber auch mit der Schwangerschaft zusammenhängen, hab ich mal irgendwo gelesen.
DB: Liest du etwa Frauenmagazine in deiner Freizeit?
DV: Ein werdender Vater informiert sich halt.
DB: Du weißt schon, dass das Kind nicht von dir ist, oder?
DV: Ich werde es großziehen, wie mein eigenes. Und ich rate dir, dass du es ebenso handhaben solltest. Schließlich ist es ja das Kind deiner Partnerin, der werten Beraterin.
DB: Ich befürchte, ich muss dir in dem Punkt zustimmen.
DV: Da schau an.
DB: Das bedeutet allerdings auch, dass du etliche Jahre, und vielleicht sogar bis zu deinem Lebensende, mit mir vorliebnehmen musst.
DV: Wir werden uns arrangieren, darin bist du ja geübt.
DB: Keine Sorge. Mein gesammelter Erfahrungsreichtum deckt mehr als nur ein Leben ab.
DV: Lass mich raten: Wenn ich jetzt nachfrage, erhellst du mich auf ein Neues mit dem süffisanten Hinweis, dass ich es tunlichst lassen sollte.
DB: Richtig. Das sind alles Verschlusssachen.
DV: Persönlich von Sam abgesegnet.
DB: Exakt. Kommen wir daher endlich wieder zu meiner ›Mission‹, den Kirchweihfesten.
DV: Was soll mit denen sein?
DB: Sagen wir es gerade heraus: Zum Fest angesichts des Jahrestags der sakramentalen Weihe dürfen nur noch Leute hingehen, die etwas mit der Konfession der jeweiligen Kirche zu tun haben – sprich: ihr angehören. Das gilt gleichfalls für die sogenannten Patronatsfeste.
DV: Was!? Mit Verlaub, das ist Blödsinn. Evangelisten weihen doch gar nicht ihre Kirchengebäude. Obendrein ist ihnen das Patrozinium gänzlich unbekannt.
DB: Das stimmt. Und wir können sie auch nicht dazu zwingen, das demnächst vorzunehmen oder einzuführen. Die felsenfesten Protestanten, diejenigen, die zu ihrer Institution und deren Werte stehen, werden das sicherlich befürworten.
DV: Wenn wir den Leuten verbieten, auf Feste zu gehen, hört der Spaß schnell auf. Abertausende werden dagegen protestieren. Demonstrieren werden sie. Und die katholische Kirche wird ohne zu Zögern von dieser absurden ›Idee‹ mindestens größtmöglichen Abstand nehmen oder sich gar auf die Seite der Protestierenden stellen.
DB: Du sprachst bei ›12plus12‹ bereits von anarchistischen Zuständen im Land. Wie kann man nur so pessimistisch sein?
DV: Ich betrachte das ausnahmslos realistisch.
DB: ›Ausnahme‹ ist ein gutes Stichwort. Wenn es dich ruhig stimmt, reicht der Glaube an Jesus Christus. Protestanten und Orthodoxe hätten somit ebenfalls volle Zutrittsrechte.
DV: Damit arbeitest du gegen deine eigene Partnerin.
DB: Sie besucht solche Festivitäten nicht.
DV: Du aber bestimmt.
DB: Ich habe einen generellen Freifahrtschein. Diplomatische Immunität und so weiter. Desgleichen Sam. Und sie könnte theoretisch jederzeit darauf zurückgreifen.
DV: Deine ›Ausnahmeregelungen‹ kotzen mich langsam an.
DB: Die sind wichtig. Ich kann dir und MeiTe auch so eine geben, das wäre ein Kinderspiel für mich. Das einzige Problem sehe ich noch in den Minderheiten, die aber in Hinblick auf ›12plus12‹ keine größere Rolle spielen sollten.
DV: ›12plus12‹ verstößt weiterhin gegen das Grundgesetz.
DB: Jetzt kommt die alte Leier wieder. Artikel 3, Absatz 3.**** Es täte Deutschland echt gut, wenn endlich mal eine Verfassung aufgesetzt würde. Die DDR war da weitaus fortschrittlicher. Beim Mauerfall hatte die BRD die fast einmalige Chance. Aber nein, die Regierung wollte es ja nicht. Man hielt an dem Grundgesetz fest, als ob es ursprünglich gewollt wäre. Dabei war es die amerikanische Besatzermacht, die es forderte. Und jetzt huldigen es alle wie besoffene Deppen.
DV: Von was redest du da?
DB: Dein Land braucht eine Verfassung.
DV: Unser Grundgesetz tut es nach wie vor.
DB: Wie jung warst du bei der Wende? Fünf Jahre? Sechs?
DV: Was hat mein eigenes Alter damit zu tun?
DB: Alles. Ich war dabei. Du nicht.
DV: Ohne dir zu nahe zu kommen, wie alt bist du überhaupt?
DB: Als es dreistellig wurde, habe ich aufgehört zu zählen. Eigentlich dürfte ich seither gar nicht mehr am Leben sein. Glaubt man euren Wissenschaftlern, wäre ich längst Hirntod.
DV: Du bist über 1.000 Jahre alt! Na klar. Sicher doch. Sieht man dir  gar nicht an. Hast dich gut gehalten. Ich will mal dumm fragen: Wie war es dir möglich zu überleben?
DB: Das ist eine Verschlusssache.
DV: Von Sam abgesegnet?
DB: Wer hält sonst Winterschlaf?
DV: Winterschlaf? Warte kurz. Lass mich das mal reflektieren. Ihr beide seid steinalt und sie, die Beraterin, hält ›Winterschlaf‹, um, so denke ich, einen Gehirntod zu umgehen – oder zu vermeiden. Sorry, aber das höre ich zum ersten Mal.
DB: Ich glaube, das habe ich dir schon in aller Ausführlichkeit verdeutlicht und erläutert.
DV: Hole mich bitte noch mal dazu ab.
DB: Du verarschst mich doch. Ich tischte es dir erst gestern Nacht brühwarm auf. Im Futonbett, im Nurdachboot.
DV: Du verwechselst mich mit jemand anderem.
DB: Hast du etwa schon geschlafen? Weihnachten? Klumpfüße? Wassereinlagerungen? Klingelt es bei dir allmählich?
DV: Da muss ich wohl weggenickt sein.
DB: Du hattest sogar auf einiges reagiert.
DV: Gelegentlich spreche ich im Schlaf, sagt MeiTe.
DB: Also gut, ich erkläre es dir später. Kommen wir wieder zurück zu den Ausnahmeregelungen. Ich will es dir mal persönlich näher darlegen. Selbst ohne Diplomatenstatus dürftest du, MeiTe und eure Tochter ...
DV: Tochter! Woher weißt du das Geschlecht des Kindes?
DB: So lass mich doch ausreden. Ihr dürftet mit eurer Tochter oder eurem Jungen auf Kirchweihen gehen, wenn sie oder er getauft wäre.
DV: Ich halte nichts von der Kindstaufe.
DB: Da bin ich komplett bei dir. Wir könnten auch sagen nach der Kommunion. Oder erst ab der Firmung. Damit wären erheblich weniger Kinder auf dieser Art von Festen und man könnte das Rahmenprogramm deutlich erwachsener gestalten. Statt Losbude vielleicht ein Varieté mit Showgirls.
DV: Wir bleiben bei der Taufe.
DB: Da hast du vollkommenen Handlungsspielraum.
DV: Überaus freundlich von dir. Was schwebt dir vor, wie das ganze praktisch geregelt werden soll? Einlasskontrollen?
DB: Das darf der Ausrichter selbst entscheiden. Das Sicherheitskonzept sollte indes vorgelegt werden, bei der jeweiligen Stadt oder beim zuständigen Landratsamt.
DV: Warum das?
DB: Stichproben, ob auch alles seine Richtigkeit hat, würde ich generell anraten, vor allem am Anfang.
DV: Könntest du ein wenig ins Detail gehen?
DB: Das könnte ich, werde davon aber tunlichst Abstand nehmen. Wie du weißt, interessieren mich solcherlei Sachen nicht. Das kannst du mit deinen Kollegen besprechen. Die haben mehr Durchblick, als wir beide zusammen.
DV: Das wage ich stark zu bezweifeln. Da kann ich ja gleich Jeannie fragen.
DB: Eine gute Idee. Mach das. Damit wären wir dann fertig.
DV: Noch hab ich nicht final zugestimmt.
DB: Unter uns: Soll ich dir etwas verraten?
DV: Ich höre.
DB: Deines Segens bedarf es nicht. Niemals.

Epilog
Statt ausgeklügelter Ausarbeitung viel Geschwafel. Nichtsdestoweniger, kann man es so stehenlassen, denke ich. Die Kirche ist geweiht und das Ding ist in den Brunnen gefallen.

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* Glas, Alexander. D|B D|V – Der|Berater Der|Verwalter, 3. Auflage. Seite 51 (Abb.). Epubli-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-748-57369-2.
** Glas, Alexander. D|B D|V – Der|Berater Der|Verwalter, 3. Auflage. Seite 52, Zeilen 26–29. Epubli-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-748-57369-2.
*** Glas, Alexander. D|B D|V – Der|Berater Der|Verwalter, 3. Auflage. Seite 53, Zeilen 18–25. Epubli-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-748-57369-2.
Wortlaut: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

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