Die Beratenden – Im Paradeisos²
V-Theorie (Pt. 11zo)
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Prooimion
Das Land der lügenden Titel ist weit und doch nicht grenzenlos. Wer kurz vor dem Übertritt steht, darf ruhig einmal ausholen.
Prolog
›Laß deine Augen geradeaus sehen,
und deine Wimpern stracks vor dich hin blicken.‹ (Spr. 4,25)
und deine Wimpern stracks vor dich hin blicken.‹ (Spr. 4,25)
Akronyme
DB = Die Beraterin (Tochter v. Lamech & Azura / ›Sam‹)
DV = Die Verwalterin (›Meine Teuerste‹ / ›MeiTe‹)
DER = Die Erzählerin (Ceana vom Hause der Kenisiter)
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DER: Augen zu und durch.
DV: Musst du jeden schönen Moment kaputtmachen?
DB: So schwer es mir fällt, doch ich muss ihr dahingehend zuzustimmen. Du solltest in der Tat deine Augen schließen.
DV: Wozu?
DB: Ceana.
DER: Ardouisur und Lailah.
DV: Sam?
DB: MeiTe. Hab keine Angst, was jetzt kommt.
DV: Was soll schon kommen? Wir gehen ins Paradies, ähm, in dein Pardēs, ... Paradeisos – was auch immer.
DB: Ins südliche Pardēs, den unteren Gan Eden, der Gan Eden der Erwachsenen nach der HaBrija, der Weltschöpfung.
DV: Und der nördliche Garten ist ausschließlich für Ältere.
DB: Nein. Es gibt indes einen solchen und zu beiden existieren gesamt 7 Zugänge. Dies ist eine der zwei Hauptpforten.
DV: Moment, sagtest du der untere Gan Eden.
DB: Ja. Gan Eden HaTachton. Quasi das Vorzimmer zum Gan Eden HoElyon.
DV: Von was redest du?
DB: Das ist die Welt von Assija, vom Handeln und vom Tun, vom Geben und Nehmen, das Niederste, ...
DER: Sie muss nicht alles wissen.
DB: Doch. Gerade das sollte man ihr sagen. Wir sind keine vollkommenen Gerechten, wir verdienen nichts anderes. Nur von HaTachton erheben wir uns in den Gan Eden HoElyon für einen gewissen Augenblick – nicht mehr, nicht weniger.
DV: Ich wusste, es gibt da einen Haken.
DB: So würd ich das nicht sehen, aber ...
DV: Und da hätten wir bereits dieses wunderschöne ›aber‹.
DB: Selbst wenn es deins ist, ist es seins.
DV: Erkläre mir das bitte ein wenig ausführlicher.
DB: Wenn du etwas gibst, erwarte nicht, dass du auch etwas bekommst, denn nur dann erhältst du wirklich etwas zurück.
DV: Das ist mir immer noch zu kompliziert.
DB: Also gut, dann stelle dir folgende, absurde Situation vor: Du kaufst ein Auto und bekommst ein weiteres gratis dazu. Das, welches du gekauft hattest, hat keine Extras, das zweite, das du umsonst bekommen hast, hat alle möglichen Extras. Da du keine zwei Autos brauchst, verschenkst du eines. Welches wird es wohl sein?
DV: Das ohne den Zusatzausstattungen natürlich.
DB: Und da liegt das Problem, der Denkfehler. Das Auto ohne Extras hast du dir gekauft, das andere nicht. Du wolltest ein Fahrzeug ohne Schnickschnacks und hast es bekommen, hast es erworben, weil du dir ein Auto mit all den Extras sicherlich nicht hättest leisten können. Wenn du den hochwertigeren Pkw behältst, wirst du damit nicht glücklich werden.
DV: Aha. Im Kontext verstehe ich das trotzdem nicht.
DB: Ein letzter Versuch: Ich leihe dir Geld für einen Aktienkauf. Du kaufst dir Aktien und wirfst sie wenig später mit großem Gewinn ab. Jetzt gibst du mir das Geld wieder zurück. Welchen Betrag erhalte ich von dir?
DV: Den, den du mir geliehen hast.
DB: Exakt. Warum solltest du mir auch mehr geben? Vielleicht schenkst du mir noch ein paar Pralinen dazu, nichts, was der Rede wert wäre, bestimmt aber – hier hast du dein wunderschönes ›aber‹ zurück – nicht viel mehr. Ich bin glücklich, du bist glücklich, er ist glücklich, jeder ist...
DV: Schon gut. Ich glaube, ich habe es begriffen. Und während du geredet hast, bin ich jetzt komplett ausgezogen. Das wäre dann dein Moment, mir es gleichzutun.
DER: Na endlich! Dann heißt es: Augen zu und durch.
DV: Die Platte der Spielverderberin läuft wieder an.
DB: Richtig. Ihr dürft dann.
DER: Und mit diesen Worten sieht DV plötzlich nichts mehr.
DV: So ein Quatsch. Wer ist überhaupt ›DV‹?
DB: Du. Schön, dass es dich nicht stört. Dann können wir ja.
DER: DB entledigt sich ihres Peplos.
DV: Wer ist ›DB‹? Und warum ist es auf einmal so dunkel hier? Könnte irgendwer das Licht wieder anmachen?
DB: Niemand hat irgendetwas ausgeschaltet, MeiTe. Du erkennst nichts mehr, weil du vorübergehend erblindet bist.
DV: Was bitte!? Du willst mich wohl verarschen.
DB: Wenn wir drin sind, wirst du wieder sehen können.
DV: Das ist ein schlechter Scherz, nicht wahr? Ich hatte nicht darum gebeten, mein Augenlicht zu verlieren.
DB: Wir alle wussten, dass du dich nicht an meine Anweisungen halten wirst.
DV: Welche Anweisungen?
DB: Du hattest heruntergezählt, allerdings dabei nicht deine Augen verschlossen.
DV: Das ist – entschuldige mal – der größte Schwachsinn, den ich jemals von dir vernommen habe.
DER: Wie ich schon sagte: Sie ist extrem schwer vom Begriff.
DB: Ich hätte es möglicherweise klarer ausdrücken sollen.
DV: Hättest du. Jetzt bin ich blind. Danke sehr für nichts.
DB: Zeitweilig, nicht auf Dauer. Nimm einfach wieder meine Hand, und ich geleite dich hindurch.
DV: Gerne würd ich das tun. Da gibt es nur ein gewaltiges Problem: Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich kann nichts sehen.
DER: DB reicht DV ihre Hand.
DV: Muss sie echt alles kommentieren? Und wer ist ›DB‹?
DER: Ich bin eine Erzählerin. Und du brauchst nicht alles ...
DV: Auch ohne die Fähigkeit zu sehen, klingt deine Leier nicht viel besser, wenn ich dir das mal so salopp sagen darf.
DB: Bringe sie bitte nicht auf die sprichwörtliche Palme. Sie wird deine andere Hand nehmen.
DER: Tue ich das?
DV: Tut sie das?
DB: Ja. Und jetzt lasst uns endlich hineingehen.
DER: DER ergreift die Hand von DV.
DV: Wer ist ›DER‹?
DER: ›DER‹ steht für ›Die Erzähl...‹
DB: Ceana! Wie formulierst du es immer so trefflich: Sie muss nicht alles wissen. Los geht's. Auf dass uns Gan Eden HaTachton glücklich machen wird durch unseren Willen.
Epilog
Geschenkte Zeit ist auch eine Zeit, manchmal ist sie nicht vergoldet – nicht mal versilbert –, sondern eher vergeudet. Wahrscheinlich wollten ›wir‹ es dann auch so – in dem Fall, also in so einem, kann man es ggf. auch verzeihen, und doch nicht vergeben oder gar vergessen.
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