•••Ⓠ•••

•••Ⓚontakt

Die Beratenden – Im Vorzimmer⁴

Lesezeit: | Wörter:

 V-Theorie (Pt. 11n)

VoRsIcHtbitte die FAQs lesen!
(alle Teile auf einen BKlick, die Neuesten oben)

Prooimion 
Es ist mal wieder Zeit für einen längeren ›Vorgesang‹. Tatsächlich habe ich eine Erweiterung der Skizze (aus dem ersten ›Vorzimmer-Akt‹) darzulegen, um die Begebenheit rund um das Anwesen vorstellig (oder vorstellbar) zu machen. Ich halte die Zeit für reif, um des Lesers Fantasievorstellungen auf die Realität der fiktionalen Welt hinzuweisen. Wer das also nicht sehen will – seine eigenen Fantasien beibehalten will –, sollte die Lupe wegstecken und die Worte unter dem Bild nicht lesen. Wer das Bild schon mit seinen Argus- oder Adleraugen betrachtete und die Worte darüber ignorierte, bei dem bitte im vielmals um Verzeihung oder gar Vergebung.


Nochmalig die Warnung: Wessen Vorstellungskraft meiner Bescheidenen überlegen sein sollte, den bitte ich direkt zum Prolog oder Dialogfaden zu springen und das Lesen ab dem nächsten Punkt und Absatz einzustellen.

Die Erkenntnisse aus der Skizze will ich einmal gliedern.
  • Beschaffenheit der Blase: Das figurierte Plasmafilament ist nahezu kreisrund und es gibt Schnittpunkt mit den Ecken des Anwesens; eine Landquerung von der Abel- zur Kain-Seite (oder umgekehrt) ist so nicht möglich.
  • Uisge Beatha: Der See umringt die Blase und trennt nicht die beiden Seiten (Abel/Kain) voneinander. Das Anwesen ist – wie die beiden Seiten – Teil einer Insel. Es ist ferner stark anzunehmen, dass es darum noch ein Festland gibt.
  • Anlegestellen: Eine klassische Umschiffung des Sees fand daher natürlich nicht statt. Dafür sind die ›Laufwege‹ von der Beraterin und der Verwalterin jetzt vorstellbar. 
  • Die Häuser: Anhand der Längen des Abelhauses (inkl. Terrasse) und der Liebeslaube sowie deren Überschneidungen mit anderen Räumlichkeiten des Anwesens, ist davon auszugehen, dass es zwei Eingänge gibt und die Häuser geteilt sind, d. h. eine Trennwand haben. Bspw. dürfte in dem Fall das Abelhaus links vom Berater und rechts von der Beraterin bewohnt sein/werden.    
  • Übergangsräumlichkeiten: Ausgehend davon, gibt es (auch) vermutlich mehr als einen Übergangsraum von der Kain-Seite/Liebeslaube (hinein) zum Anwesen.
  • ›Haustarnung‹: Da die Verwalterin niemals das Anwesen von der Blase aus sah, muss es zumindest in die Landschaft irgendwie eingegliedert sein oder eine andersartige optische, z. B. eine perspektivische, Täuschung vorliegen.
Und damit kann die Erzählung (endlich) weitergehen.

Prolog
Wie der Sperling dahinflattert, wie die Schwalbe wegfliegt,
so wird ein unverdienter Fluch nicht treffen.‹ 
(Spr. 26,2)

Akronyme
DV = Die Verwalterin (›Meine Teuerste‹)
VW  = Der Verwalter (›Habib‹ oder Toddy)
AdB = Assistent der Beraterin (Milutin)
AVW = Assistentin Verwalter (Jenny de Ginny)
BR = Der Berater (Tony aka. Hl. Antonius der Große)
ABR
= Assistentin Berater (Jeannie de Ginny)
SCH = Die Schneiderin (Tilly)
ERZ = Erzähler (Kenny)

Dialog
Zum Anhören bitte hier klicken:  (Falls Abspiel nicht möglich: Klick zum Direktlink)

ERZ: Mein (zugeschriebener) Platz in den ›Vorzimmer-Akten‹ war stets am Flügel – genauer gesagt hinter dem Grand Piano auf einer höhenverstellbaren Klavierbank, die schräg zu den Eckwänden steht. Das imposante Instrument mit seinem geschwungenen Korpus befindet sich im Prostas im linken Eck, und betritt man den Raum vom Peristyl erstmals, so könnte man mutmaßen, es wäre ausschließlich aus Zierde dort positioniert worden. Ist der langgezogene Deckel lediglich halboffen, kann man den Spieler aufgrund des hohen und bis zum Rand der Tasten angebrachten Notenbretts kaum mehr vollständig erkennen. Dem Flügel gegenüber, im anderen Eck, steht auf einem schmalen, erhöhten Tisch ein Klaviziterium, dahinter (an der Wand) ein Hocker in Sanduhrform, dessen runde Sitzfläche fast auf Höhe der 4 Tischbeine abschließt. An einem jener Stollen lehnt ein griechisches Defi politiko, eine Rahmentrommel, ohne Schellen.
BR verlässt gerade das Exedra, den Schallschutzraum, und nimmt auf dem exzentrischen Hocker hinter dem Clavicytherium Platz. ABR verweilt mit VW weiterhin auf der gegenüberliegenden Couch und DV schlummert nach wie vor auf dem Diwan am Boden. SCH kommt in diesen Augenblick durch das Kryptoportikus im Portas an, so als ob sie sich mit BR zeitlich abgestimmt hätte.
BR: Ah, Tilly. Du kommst wie gerufen. Leg die Decken einfach irgendwo ab und komm rüber zu mir. Ich bräuchte deine musikalische Unterstützung.
ERZ: SCH legt die Plumeaus auf halbem Weg zu BR auf den Boden ab, geht an der offenen Türe vom Exedra vorbei – ohne einen Blick hineinzuwerfen – und umarmt den (halb-)sitzenden BR kurz. BR erwidert ihre, ihm zugeneigte, Geste. Nach nur ein paar Sekunden lösen sie sich wieder voneinander, wobei SCH ihre Hände auf den Oberarmen von BR ruhen lässt und ihn besorgt Folgendes fragt.
SCH: Lief alles gut im Schallschutzraum?
ERZ: Noch ehe BR zu einer Antwort ansetzen kann, mischt sich ABR von der Couch aus ein, von der sie einen exzellenten Blick in den Innenbereich des Schallschutzraumes hat.
ABR: Sonst wäre er bestimmt nicht hier. Und, so wie ich das sehe, hat er da drin einen gewaltigen Saustall hinterlassen.
BR: Pardon, Jeannie. Am ›Saustall‹ war ich nicht beteiligt.
ABR: Weswegen liegen die beiden dann gefesselt, offenbar betäubt und halbnackt unter dem Tisch?
BR: Entblößt hatten sie sich selbst. Ich habe die Beiden lediglich vor sich selbst geschützt.
ABR: Das sehe ich auch. Deine pinkfarbenen Kabelbinder mit Stahlnasenverschluss kann ich von weitem erkennen.
SCH: Tony, ich bitte um eine Erklärung?
BR: Das ist mein Spielzimmer, nicht seines.
ABR: Die Antwort wird ihr nicht genügen.
SCH: Da stimme ich ihr sogar zu.
BR: Also gut, wie nennt man das, wenn jemand gegen die Konzeptrichtlinien von BDSM-Spielen verstößt?
SCH: Welche meinst du? SSC oder RACK?
BR: Um ehrlich zu sein, bin ich nicht so in diesem Thema.
ABR: Tony, du lebst augenscheinlich hinter den Mond.
BR: Will mich dann einer von euch aufklären?
SCH: SSC ist das Akronym von Safe, Sane und Consensual.
ABR: Und RACK steht für Risk-aware consensual kink.
BR: Aha. Selbstverständlich kann ich das nicht bewerten. Alleinig ausgehend von den Begriffen, würde ich vermuten, dass da nicht alle Kriterien erfüllt waren. Sicher sah es wohl aus, aber vernünftig oder gar einvernehmlich eher weniger.
SCH: Sprich weiter.
BR: Jenny habe ich nicht betäubt, sie war schon ohne Bewusstsein, als ich hereinkam.
ABR: Jetzt wird es interessant.
BR: Eher nicht. Milutin hat sie mit irgendwas narkotisiert.
SCH: Aber du weißt nicht, ob das einvernehmlich war.
BR: Wie bitte? Was soll denn das für ein absurdes Spiel sein?
ERZ: SCH wollte antworten, doch ABR kam ihr zuvor.
ABR: Du lebst echt hinter den Mond.
SCH: Tony, er hat mich beim ersten Mal mit Angel Dust anästhesiert – auf meinen eigenen Wunsch hin!
BR: Entschuldigt, meine Damen. Ich lebe tatsächlich überwiegend auf der dunklen Seite des Mondes und züchte da in einem Geheimlabor Echsenwesen – sogenannte Reptiloide –, die ich als Menschen verkleidet auf die Erde schicke, um dort ferngesteuert meine geheimen Pläne durchzuwinken.
SCH: Sehr witzig – und komplett unpassend.
BR: Weißt du, ich mach das eigentlich nur, weil die Vorstellung von Melusinen nicht mehr zeitgemäß ist.
SCH: Hör bitte auf zu scherzen. Fakt ist für mich, du hast die Situation verkannt und ihre sexuellen Praktiken vereitelt.
BR: Schon gut, ich bekenne mich schuldig. Ich hätte vielleicht sein Angebot annehmen sollen.
SCH: Was hat er dir offeriert?
BR: Ich hätte ihm, bei was auch immer er – mit ihr? – vorhatte, zusehen können.
ABR: Der Serbe ist echt leger drauf und mit allen Wassern ...
SCH: Lass gut sein, Jeannie.
BR: Das finde ich auch. Alleine die Vorstellung, dass ein erwachsener Mann auf eine erwachsene Frau uriniert, ...
ABR: ..., und ihr das auch noch gefällt?
BR: Wie kann ihr das bitte gefallen, wenn sie bewusstlos ist? Wieso sollte ihr das überhaupt Gefallen bereiten? Und was gefällt ihm daran? Nichts für ungut, Tilly, doch ich begreife das nicht. Ich bin womöglich zu alt dafür.
SCH: Wenn du abgewartet hättest, wüsstest du es.
BR: Das bezweifele ich. Wie auch immer, jetzt ist es so wie es ist und ich finde die Situation irgendwie beruhigend.
ABR: Tony, ich glaube ja, du hast hier die stärkste aller Obsessionen unter dir verankert.
BR: Wie bitte? Ich soll obsessiv sein?
ABR: Hast du schon mal durchgezählt? Hier liegen mittlerweile 4 ›erwachsene‹ Menschen bewusstlos herum, ins Land der Träume geschickt von einem anderen ›erwachsenen‹ Menschen – nämlich niemand anderen als dir.
BR: Das stimmt nicht ganz. Jenny hat Toddy ausgeschaltet.
ABR: Nachdem du ihn weggetasert und ihr deinen Pen in die Hand gedrückt hast.
BR: Woher weißt du davon?
ABR: Sie hat es mir erzählt. Du sagtest im Wortlaut: ›Und wenn der Typ aufwacht, injiziere ihm davon etwas. Er wird schlafen wie ein Kleinkind.‹
BR: Wie ein Baby, sagte ich.
ABR: Baby, Kleinkind – was macht den Unterschied? Tony, sei ehrlich zu dir, du hast ein starkes Bedürfnis, Leute ihres wachen Verstandes zu berauben, wenn sie nicht nach deiner Pfeife tanzen wollen. Das war schon immer so.
BR: Ich darf doch sehr bitten. Du übertreibst maßlos.
SCH: Ähm, wenn ich mich da mal dazwischenschalten darf, um das abzukürzen. Halten wir doch einfach fest, dass alle hier Anwesenden irgendeinen Spleen verfolgen. Der eine Mann mag Männer, die Dicke mag Frauen, andere bevorzugen exzentrische Kleidung mit dem entsprechenden Schliff dahinter und wiederum andere mögen Körperausscheidung...
BR: Kürzen wir das an der Stelle wirklich mal ab.
ABR: Und wie, bitteschön? Dass wir alle ›gaga‹ sind?
BR: Was verstehst du unter ›gaga sein‹?
ABR: Tony, mal Hand aufs Herz. An dieser Mondsache, da ist doch nicht etwa was dran?
BR: Meine liebe Jeannie, jeder interpretiert geflügelte Worte auf seine ganz persönliche Art und Weise, da stimmst du mir sicherlich zu. Und gerade eben ›gaga‹ ist halt mal so eine Umschreibung, die eine gewisse Mehrdeutigkeit mit sich bringt.
SCH: Könnt ihr bitte mit dem Kinderkram aufhören.
ERZ: SCH entfernt sich von BR, hebt die Decken auf, schaut kurz in das Exedra, schüttelt verächtlich mit dem Kopf und deckt dann DV und VW zu, ehe sie wieder zu Tony geht.
ABR: Du bist overdressed für solche Arbeiten.
BR: Ich finde ja, sie hat Stil, ganz im Gegensatz zu dir.
SCH: Schluss jetzt, ihr beiden. Wie konntet ihr nur so lange miteinander zusammenarbeiten?
ABR: Das frage ich mich allerdings auch.
BR: Dito.
SCH: Tony, du wolltest was spielen, also spiele.
BR: Ich verstehe nicht recht.
SCH: Mit diesem Ding, wie heißt es nochmal?
BR: Clavicytherium.
ABR: Klaviziterium spricht man es gewöhnlich aus.
SCH: Genau das meine ich. Es ist doch scheißegal wie man es ausspricht oder schreibt, wenn er darauf musizieren will, dann soll er das einfach tun. Wir haben ja Unmengen an Zeit.
BR: Wo sie recht hat, hat sie recht.
SCH: Das war Ironie! Wir haben eben keine Zeit.
BR: Für ein Abschiedslied sollte man sich immer die Zeit nehmen. Begleitest du mich mit der Defi-Trommel?
SCH: Ich hab keine Erfahrungen mit griechischen Rundtrommeln wie dieser.
ABR: Er klimpert immer darauf herum, bevor er geht.
SCH: Du willst gehen?
BR: Nein, keineswegs. Ich halte meine Versprechen. Das Lied ist speziell für Jeannie.
ABR: Oh wie süß, ein Lied – extra für mich.
BR: Wie sieht es aus, Tilly, begleitest du mich?
SCH: Wenn du unbedingt darauf bestehst.
BR: Das tue ich nicht, aber es würde mir gefallen.
ABR: Ich weiß jetzt schon, dass es mir gefällt.
BR: Du wirst den Text sicherlich unterschwellig verstehen. Wollen wir dann loslegen? Bist du bereit, Tilly?
SCH: Ich war noch nie bereiter.
BR: Möglicherweise versetzt dich der Text in die richtige Stimmung. Hier, bitte.
ERZ: BR überreicht SCH ein Blatt, das sie kurz überflog.
SCH: Wann hast du das denn alles geschrieben?
BR: Wo wäre die bessere Frage. Da war eine spontane Idee im Exedra, als ich dort einen Stift und einen Zettel vorfand.
SCH: Das liest sich wie ein Reinhard-Mey-Song an.
BR: Entschuldige meine unkreative Ader.
SCH: Nein, nein. Das könnte ganz gut werden, sofern du ...
ABR: Hört auf zu Schwätzen, fangt endlich an!
ERZ: Um es an der Stelle in der Tat abzukürzen, musizierten sie – der singende BR am besaitete Tasteninstrument, dem Clavicytherium, begleitet von SCH an der Rundtrommel.*
ABR: Oh, das war schön. Wohin fliege ich?
BR: Laut meinem Tagebuch hinfort aus dem Lummerland.
SCH: Ist das nicht abgebrannt?
BR: Du verwechselst das mit Pommerland.
ABR: Und wohin fliege ich jetzt wirklich?
BR: Nach Hause, Jeannie, nach Hause.
ABR: Ich gehe aber nicht ohne Toddy.
BR: Ja natürlich, du nimmst ihn und MeiTe mit.
ABR: Wer ist MeiTe?
BR: So haben wir die Verwalterin genannt.
SCH: Verzeihung, das war mein Einfall.
BR: Es war ihre Idee, richtig.
ABR: MeiTe ist doch kein Name.
BR: MeiTe ist die Kurzform von Mareike.
SCH: Und ich dachte, es wäre eine Koseform von Maria.
BR: Hm. Möglich. Vielleicht sollte ihr Kind ja MeiTe heißen?
ABR: Ihr Kind? Ist sie schwanger? Etwa gar von dir selbst?
BR: Nein, mit der Befruchtung hatte ich nichts zu tun.
SCH: Aber sie ist doch schwanger.
BR: Ja, aber nicht von mir.
ABR: Hey, Leute! Ist doch egal. Sie ist schwanger, das genügt mir. Ich werde für sie und Toddy sorgen.
BR: Wirklich, Jeannie? Das würdest du tun?
ABR: Sie ist zum ersten Mal schwanger und keiner will der Kindsvater sein – da muss man geradezu helfen.
BR: Du kennst sie doch gar nicht. Sie ist lesbisch und hat eine Partnerin, soviel ich weiß.
ABR: Das ist mir einerlei. Alles, was ich von dir möchte, ist, dass du dafür sorgst, dass ich für Toddy arbeiten kann.
BR: Du willst das also echt? Hast du dir das auch gut überlegt? Ich meine, er ist jetzt nicht gerade einfach ...
ABR: Ja, Tony. Ich bin mir sicher. Ich will es.
BR: Und wie stellst du dir das vor?
ABR: Seine wir ehrlich miteinander. Solcherlei Details haben dich noch nie wirklich interessiert. Also lass die Fragerei.
SCH: Tony, auf ein Wort.
ERZ: Ich sehe SCH und BR plötzlich auf mich zukommen und hoffe, dass ich wirklich für sie nicht sichtbar bin. Vorsichtshalber stehe ich auf und krabbele unter den Flügel. SCH und BR nehmen auf der Bank Platz und führen darauf im Flüsterton eine Unterhaltung.
SCH: Tony, spiel was. Sie soll uns nicht hören.
ERZ: Und BR spielt daraufhin spontan ein eingängiges Kinderschlaflied, selbstredend ohne dabei mitzusingen.
SCH: Ich habe so das Gefühl, dass sie es ernst meint und sich anscheinend echt verändern möchte.
BR: Auch wenn sich das komisch anhört: Ich traue ihr nicht.
SCH: Dann vertraue mir und meiner weiblichen Intuition.
ERZ: BR fängt nun plötzlich an zu singen.
BR: Maikäfer, flieg! Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist im Pommerland. Und Pommerland ist abgebrannt ...
SCH: Tony.
BR: Jetzt singt sie brav mit. Hörst du.
SCH: Und sie streichelt seinen Kopf ganz behutsam.
BR: Das macht sie doch schon die ganze Zeit.
SCH: Andererseits hatte sie in unserer Abwesenheit auch sein Hemd wieder zugeknöpft und seine Hose geschlossen.
BR: Scheinbar ging es ihr wie uns mit dem Rainbow Slip.
SCH: Ich glaube eher, er strahlt irgendwas für sie aus, irgendwas, das sie zur Besinnung bewog oder bewegt.
BR: Das hieße ja im Umkehrschluss, dass ich für sie etwas ›ausstrahlte‹, was ihr nicht sonderlich bekam.
SCH: Tony.
BR: Schon vergessen, sie hat dich eine Schnalle genannt.
SCH: Tony.
BR: Ist schon gut, du hast gewonnen. Ich gebe klein bei. Ich vertraue einfach auf ein Neues deiner weiblichen Intuition. Bislang hat sie uns ja nicht enttäuscht.
SCH: Danke, Tony.
ERZ: SCH gibt BR einen Kuss auf die Stirn, geht dann zu ABR hinüber und setzt sich auf den Sessel zur ABRs linken. BR spielt das Schlaflied noch zu Ende und geht dann hinter die Empfangstheke an den Rechner.
ABR: Das war schön, Tony. Das Lied hat uns Oma immer vor dem Einschlafen vorgesungen, wenn wir bei ihr übernachtet haben. Leider war das sehr oft der Fall. Trotz all ihrer Fehler hatte ich Mama sehr lieb, sie dagegen liebte mehr die abendliche Gesellschaft von wildfremden Männ...
ERZ: ABR beendet ihren Satz nicht und fängt mit einem Mal zu schluchzen an. SCH steht daraufhin auf, geht hinten um die Couch, zieht ein zusammengefaltetes Taschentuch hervor, öffnet es und reicht es ABR über deren rechter Schulter. Danach geht sie zu BR an den Empfangstresen.
SCH: Tony, wolltest du ihr nicht was sagen?
BR: Das tue ich auch. Ich muss nur noch etwas ausdrucken, das ich schon vorbereitet hatte. Aja, da ist der Ordner – und hier ist auch die Datei ... oh, nein, das war die falsche.
SCH: Tony, sie weint gerade.
BR: Sie hört gleich auf, wenn sie das sieht ..., da ist sie ja!
ERZ: BR druckt das Dokument aus, holt es vom Gerät, nimmt einen Stift zur Hand und unterzeichnet es. Anschließend zieht er aus der Schublade einen runden Siegelstempel heraus und setzt diesen rechts neben seine Unterschrift. 
BR: Fertig. Überreiche es ihr bitte.
SCH: Wie, ich? Das machst du mal schön selbst.
ERZ: BR murrt irgendwas von ›intelligenten Frauen‹ während er mit dem Schriftstück um die Theke zu ABR geht, die ihr Schluchzen kurz für einen kräftigen Schnäuzer ins Taschentuch unterbricht.
BR: Jeannie, wenn du mir ne Sekunde deiner Aufmerksam..,
ABR: Weißt du, was das Schlimmste damals war?
BR: Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst. Ich wollt...
ABR: Wenn Oma in Urlaub war. Dann hatten wir Mamas abendliche Besuche zu ertragen. Wir mussten früh schlafen gehen und durften unser Kinderzimmer nicht verlassen, nicht einmal auf die Toilette. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ekelhaft es ist, in einen Nachttopf zu pinkeln?
BR: Durchaus kann ich das, weißt du, ich bin ziemlich alt ...
ABR: Den ganzen Abend lief Marvin Gaye – und manchmal hing die Platte viele unerträgliche Minuten lang. Seitdem hasse ich Jazz und Soul abgrundtief!
BR: Verstehe. Ich hätte hier dein versprochenes Zeugni...
ABR: Du kannst das nicht verstehen. Wir hatten damals keine Ahnung, warum niemand die Nadel vom Plattenspieler nahm. Erst viel später wurde es mir – oder uns – klar.
BR: Hm. Brauchst du ein neues Taschentuch?
ABR: Ja, gerne.
BR: Tilly?
SCH: Ich hab leider keines mehr einstecken.
ABR: Reich mir meine Handtasche.
ERZ: Und BR überreichte ABR ihre Clutch. Während ABR noch darin nach einer Packung Schnäuztücher kramte, versuchte BR wieder zum eigentlichen Thema zu finden.
BR: Jeannie, der schönste Umstand an deinen Namen ist ...
ABR: Die Platte hing oft beim Lied You Sure Love To Ball. Und so gut wie immer bei der Stelle, wo er singt ›That you're my foxy lady‹.**
BR: Durchtrieben..., was ich wegen deines Namens noch anmerken wollte ...
SCH: Hörst du ihr überhaupt zu? Sie schüttet dir gerade ihr Herz aus und du hast nichts anderes im Sinn als ihr von der Schönheit ihres Namens was zu erzählen.
ABR: Er hat schon recht, Tilly. Wir haben den Nachnamen unserer Oma angenommen, als wir volljährig wurden. 
BR: Und dieser Nachname steht jetzt auf deinem tadellosen Führungszeugnis. Hier, Jeannie – nehme es entgegen. Es war mir eine Ehre, mit dir zusammenarbeiten zu dürfen.
ERZ: ABR nahm, immer noch vor sich her schluchzend, das Papier von BR in die Hände.
ABR: Ich habe das nicht verdient, Tony.
BR: Gewiss hast du das. Und vor allem hast du deinen neuen Chef verdient. Ich weiß zwar nicht, ob das auch auf ihn zutrifft, aber ich weiß, dass er dich mit Kusshand nehmen wird.
ABR: Was wirst du ihm erzählen?
BR: Die einfache Wahrheit sollte allemal genügen. Und Tilly wird meine Zeugin sein. Ohne ihr hätte ich womöglich anders entschieden. Ihr gebührt der Dank, nicht mir. 
ABR: Ist das so, Tilly?
SCH: Ja, er ist halt ein Mann und schnallt nicht schnell genug, wenn eine Frau Probleme hat. Alles, was er brauchte, war ein kleiner, ein sprichwörtlicher Seitenhieb meinerseits.
ABR: Wenn das so ist, nehme ich die ›Schnalle‹ zurück.
SCH: Danke, und ich die ›ungezogene Göre‹.
BR: Wir rührend. Ihr beide seid so zuckersüß, wollt ihr euch nicht jetzt in die Arme fallen, ein wenig knuddeln, Zärtlichkeiten und ein paar Küsschen austauschen und so weiter.
SCH / ABR: Tony!!
BR: Ach, damit wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich liebkosenden Frauen gern dabei zusehe, wie sie sich ...
SCH / ABR: Tony!! 
BR: Alles klar. Ich hab verstanden. Wir überspringen einfach diesen praktischen Teil und kommen zu einem anderen.
SCH: Der da wäre?
BR: Ihr beide müsstet Toddy gemeinsam ins Peristyl tragen.
SCH / ABR: Was!!
BR: Na ja, alternativ könnte ich ihn auf die gute MeiTe legen.
SCH: Das ist jetzt nicht dein Ernst!?
BR: Nein, ist es nicht. Jenes Bild bekäme ich nicht mehr aus meinem Kopf, sowie Jeannie ihre Marvin-Gaye-Nummer.
SCH / ABR: Tony!!
BR: Ist schon gut. Tatsache ist, ich weiß nicht, ob das der Diwan bis dorthin aushält. Ich meine, Toddy ist ja jetzt auch nicht der Schlankeste unter den Verwaltern.
SCH: Eben. Wie sollten wir das bewerkstelligen?
ABR: Ich glaube auch nicht, dass wir das schaffen.
BR: Dann lasst mich mal kurz nachdenken. Wenn ihr Wert darauf legt, könnt ihr euch zwischenzeitlich liebend gerne gegenseitig befummel...
SCH / ABR: Tony!!
BR: Meine Güte, ist ja in Ordnung. Ich denke ja schon.
SCH: Denke schnell.
ABR: Wenn ich mal dazwischen fragen darf: Warum müssen wir überhaupt in den Hof gehen?
SCH: Da steht der rosafarbene Heli.
ABR: Ja, und weiter?
BR: Mädels! Heureka! Ich hab es! So machen wir es. Das ist ein ausgezeichneter Plan, das dürfte funktionieren. Und das Beste daran ist: Ihr müsstet dazu rein gar nichts beitragen.

Epilog
Wie sieht Tonys Plan aus? Wird Jeannie dahinterkommen, warum es ins Peristyl geht? Weswegen ist der Helikopter überhaupt rosa? Oder ist das vielleicht gar kein Hubschrauber? Und – vor allem – wer wird das ›Ding‹ fliegen, wenn der serbische, angebliche ›Pilot‹ nicht zugänglich ist?
Im Peristyl – im Hof – erhalten wir zahlreiche Antworten, davon gehe ich zumindest, Stand heute [sic!], (stark) aus.

___
* Reinhard Mey – Aus meinem Tagebuch. Interpretation von Karl Dall: https://youtu.be/PmtpviFwMWY?feature=shared.
›Skipp-Tipp‹: nach 5 Sekunden wieder 5 Sekunden zurück (linke Pfeiltaste).

Kommentare