Die Beratenden – Im Schallschutzraum
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Prooimion
Oder: Die (klassische) Berater-Verwalter-Situation.
Prolog
›Den Gerechten zu strafen, ist nicht gut,
noch Edle zu schlagen um Geradheit.‹ (Spr. 18,26)
noch Edle zu schlagen um Geradheit.‹ (Spr. 18,26)
Akronyme
BR = Der Berater (Tony aka. Hl. Antonius der Große)
VW = Der Verwalter (›Habib‹ oder Toddy)
AVW = Assistentin Verwalter (Jenny de Ginny)
ABR = Assistentin Berater (Jeannie de Ginny)
ERZ = Erzähler (Kenny)
Dialog
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ERZ: BR betritt gerade den Schallschutzraum, VW sitzt bereits auf einem Stuhl an einem mittig aufgestellten, runden Tisch, den Rücken zur Wand, den Blick Richtung Tür.
BR: Boker Tov! Mission s-h f b.
VW: Was?
BR: Fliegen Sie gern?
VW: Oh nein, bitte nicht schon wieder dumme Fragen.
BR: Nun, eigentlich interessiert mich Ihre Antwort nicht.
VW: Wirklich?
BR: Tatsächlich interessiert sie mich keineswegs.
VW: Warum fragen Sie dann überhaupt?
BR: Das steht so auf meinem Spickzettel.
VW: Moment, Sie verarschen mich doch, oder?
BR: Nein, wie kommen Sie darauf? Ich würde doch niemals den großen Habib von Jenny de Ginny veräppeln.
VW: Okay, verstehe ... Bitte nennen Sie mich aber ab sofort nicht mehr so. Ich bin weder groß noch ein Meister – und Jenny ist erst recht keine Dschinn, kein Flaschengeist.
BR: Verzeihung, aber ›Habib‹ – ḥabīb – ist ein afrikanisch-arabischer Vor- oder Nachname, der auch oft in der Kombination eines Zunamens vorkommt. Es bedeutet nicht Meister, sondern eher Geliebter ode...
VW: Was!? Das ist ja unerhört. Ich bin nicht der Geliebte meiner Assistentin.
BR: Da stimme ich zu. Das ist auf mehreren Wegen undenkbar. Doch lassen Sie mich meinen Satz noch zu Ende führen: Die zweite Bedeutung von Habib wäre Liebling. Und deswegen bleiben wir beim Toddy, Toddy. ›Okay‹?
VW: Alles klar. Nennen Sie mich, wie Sie wollen.
BR: Den Gefallen tue ich mir nicht.
VW: Können wir dann bitte zum Thema kommen?
BR: Wir haben heute sogar zwei. Also das eine ist eher so ein Anliegen, das andere betrifft dann die Mission ›s-h f b‹.
VW: Ein ›Anliegen‹ von Ihnen an mich? Keine Anweisung? Das ist ja mal was ganz Neues. Wie komme ich zu der Ehre?
BR: Ähm, inwieweit hören Sie mir überhaupt zu?
VW: Bei ›Anliegen‹ hat es aufgehört zu denken.
BR: Und ›es‹ sind Sie?
VW: Pardon, ich meinte ›in mir zu denken‹. Kommen wir lieber zu Ihrem ›Wunsch‹; wie war der noch gleich?
BR: Ich erzähle ihn Ihnen jetzt umgehend unverzüglich.
VW: Was ist das für ein Deutsch?
BR: Meines. Mein Anliegen will ich Ihnen geradeheraus mitteilen: Gehen Sie bitte bei Gelegenheit mal zum DG Clima, sagen Sie aber nicht, dass ich Sie geschickt habe. Das wäre unklug. Sagen Sie vielmehr der Frans* hat Sie inspiriert.
VW: Sie meinen, ich soll bei der EU-Kommission für Klim...
BR: Ja, das wäre nett. Die sollen die Abschaffung der Kurzstreckenflüge im gesamten EU-Raum vorantreiben. Vielleicht mit so einer Deadline wie bei anderen Geschichten.
VW: Sagen Sie mir ein Jahr an.
BR: Wie wäre es mit dem 20. Tewet 5795 anno Hominis – Paraschat Va'eira? Das müsste ein Montag sein.
VW: Ähm, ich bräuchte das ›Anno Domini‹-Jahr.
BR: 1. Jänner 2035.
VW: Geht klar.
BR: Geht klar? Echt? Super! Danke Ihnen.
VW: Bitte, keine Ursache. Ich helfe gerne.
BR: Darf ich Sie wörtlich zitieren?
VW: Wenn Sie so fragen: nein.
BR: Gut, dann paraphrasiere ich.
VW: Auch das wäre mir nicht recht.
BR: Wie auch immer, die Mission ›s-h f b‹ ist etwas delikater.
VW: Legen Sie einfach los. Ich habe das Gefühl, dass wir Ihre Angelegenheit diesmal recht schnell regeln werden.
BR: Zugegeben, meine ›Missions-Akronymisierung‹ lässt heute etwas zu wünschen übrig, aber vielleicht wird Ihnen das ja auf eine Art und Weise gefallen.
VW: Für was steht denn Ihr Akronym ›s-h f b‹ überhaupt?
BR: Short-haul flight ban** – Kurzstreckenflugverbot.
VW: Heutzutage muss alles auf Englisch sein, nicht wahr?
BR: Man sagt gemeinhin, es klänge cooler.
VW: Ansprechender allemal, es sei denn, man mag diese elend langen, deutschen Mehrfachwortmorpheme.
BR: Sie sind sich schon im Klaren, dass es Mehrfachwortbildungsmorphem heißt? Unabhängig davon ist es eher ein komplexes, endozentrisches Kompositum aus ›Kurzstrecke‹ und ›Flugverbot‹, wobei das auch schon ...
VW: ›Verbot‹ ist das Schlüsselwort, einigen wir uns darauf.
BR: Wissen Sie, der Begriff ›Kurzstrecke‹ ist sehr vage, sagen wir ruhig undefiniert. Und es geht mir tatsächlich nicht um ein Verbot, sondern um eine Bedingung – oder eher um eine Voraussetzung. ›S-h f p-c‹ wäre daher besser.
VW: Und für was steht dann das ›p-c‹?
BR: Precondition beziehungsweise pre-condition.
VW: Wenn ich Sie richtig interpretiere, soll also eine Grundvoraussetzung für Kurzstreckenflüge geschaffen werden.
BR: Das ist gut. Wir könnten es auch ›s-h f b r‹ nennen.
VW: Und was bedeutet jetzt ›b r‹?
BR: Nicht ›Berater‹ – Zwinker-Smiley. Basic requirement.
VW: Wirklich witzig – es ist dennoch bescheuert.
BR: Sie haben recht, ›s-h f p-c‹ gefällt mir deutlich besser.
VW: Wie dem auch sei, was haben Sie vor?
BR: Nun, danke, dass Sie fragen. Ich habe vor meinen gestrigen Mittagsschlaf mal ein wenig nachgedacht.
VW: Sie halten wirklich Mittagsschlaf?
BR: Selbstverständlich nicht – ich meinte Mittagsbeischlaf.
VW: Keine Details, bitte – zurück zum Thema.
BR: Natürlich. Finden Sie nicht auch, dass jemand mittelschwer verantwortungslos handelt, wenn er eine Kurzstrecke fliegt, sagen wir für ein Beispiel von Bonn nach Berlin?
VW: Das kommt darauf an. Hoheitliche Amtsträger haben dafür durchaus triftige Gründe, ... überwiegend triftige.
BR: Ich lasse das mal unkommentiert und präzisiere meine Frage: Sollte man nicht stets konsequent handeln?
VW: Ich vermisse den Kontext.
BR: Ich erkläre es Ihnen. Sie fahren mit der Bahn, dem Elektroauto, dem Fahrrad oder dem E-Scooter zum Flughafen – von mir aus laufen Sie auch dort hin – und dann fliegen Sie eine Kurzstrecke. Ich vermisse hier die Logik.
VW: Ich verstehe den Zusammenhang immer noch nicht.
BR: Das spiegelt für mich inkonsequentes Handeln wider.
VW: Quatsch. Leute, die mit einem E-Auto fahren, leisten einen Beitrag zum Umweltschutz.
BR: Eine schwierige Aussage geben Sie da von sich. Dennoch will ich Sie mal wörtlich nehmen und die Frage auftun, wie viel diese ›Leute‹ zum Umweltschutz beitragen, wenn Sie eine Kurzstrecke mit dem Flugzeug vornehmen?
VW: Das amortisiert sich doch wieder.
BR: Aber klar doch. Ein Veganer kann gewiss im Schlachthaus arbeiten und ab und an mal eine Bratwurst verspeisen.
VW: Veganer sollen also nicht mehr fliegen?
BR: Kein Mensch sollte fliegen.
VW: Und wie kommen wir dann zukünftig hierher?
BR: Wir sind amtliche Hoheitsträger, schon vergessen?
VW: Ein Punkt für Sie. Wir können uns das nicht immer aussuchen. Ich finde das bisweilen auch nicht sonderlich toll.
BR: Hören Sie mit der Heuchelei auf.
VW: Sagen Sie mir doch einfach, was Ihnen vorschwebt.
BR: Gerne. Flughäfen dürfen für Kurzstreckenflüge zukünftig nur noch mit dem Verbrenner angefahren werden – und zwar von der Haustür ab beziehungsweise dem Arbeitsort.
VW: Und wenn man keinen Führerschein hat?
BR: Ich wusste, dass das Ihr erstes Kontra sein wird. Ich hätte mit Jeannie darauf wetten sollen. Sie meinte nämlich, Sie würden zuerst sagen, dass ich verrückt wäre.
VW: Das sind Sie auch. Wie lautet also Ihre Lösung?
BR: Mein guter Toddy, das liegt doch auf der Hand. Man lässt sich fahren – mit einem Verbrenner.
VW: Wie soll das praktisch funktionieren?
BR: Taxi, Leihwagen, Car-Sharing, Mitfahrgemeinschaft, Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen, von mir aus fährt man per Anhalter – suchen Sie sich einfach was aus.
VW: Und wie soll man das dann bitteschön beweisen?
BR: Man hat es irgendwie nachzuweisen, darüber können Sie sich daheim Gedanken machen.
VW: Sehr zuvorkommend von Ihnen.
BR: Einen Gratistipp kann ich Ihnen indes mitgeben.
VW: Oho, da bin ich mal ganz Ohr. Schießen Sie los!
BR: Die Flughafengesellschaften sollen davon profitieren.
VW: Werden Sie bitte ein klein wenig präziser.
BR: Ich schieße später... Pardon. Jeder, der zukünftig eine Kurzstrecke fliegt, hat Parkgebühren zu entrichten.
VW: Die ganz normalen Gebühren auf dem Flughafenparkplatz – oder wie soll ich mir das konkret vorstellen?
BR: Das ist mir eigentlich egal.
ERZ: BR klopft mit der linken Hand dreimal an das Cavum conchae seines Ohrs und räuspert sich geräuschvoll.
VW: Was soll das? Ich weiß, dass Sie nicht vernetzt sind.
BR: Doch, diesmal bin ich es. Der Raum, das ›Exedra‹, ist seit geraumer Zeit schallgeschützt.
VW: Und Ihr Räuspern ist das Signal für Ihre extravagant gekleidete Assistentin, damit Sie den Raum betreten kann.
VW: Und Ihr Räuspern ist das Signal für Ihre extravagant gekleidete Assistentin, damit Sie den Raum betreten kann.
BR: Nicht ganz, es ist das Signal für Ihre Assistentin.
VW: Ich verstehe nicht.
BR: Sie werden Sie gleich brauchen.
VW: Und weswegen?
ERZ: BR fasst in die Eingriffstasche seines Jacketts und zieht einen Teleskopstab heraus.
BR: Deswegen. Unter uns: Das ist ein Prachtstück!
VW: Sie haben doch nicht vor mich damit zu schlagen?
BR: Wo denken Sie hin, rohe Gewalt widerstrebt mir.
VW: Wollen Sie wohl, dass ich mich mit Ihrem Prügelstock, ihrem ›Prachtstück‹, gar selbst verhaue?
BR: Gute Idee, doch ich habe da einen besseren Einfall. Verzeihen Sie mir im Vorfeld, ich will das Teil nur mal testen.
VW: Sie sind verrückt!
BR: Diesmal stimme ich Ihnen sogar teilweise zu.
ERZ: BR richtet den Stab auf VW und drückt einen Knopf.
VW: Ah!! Hilfe! Hören Sie auf! Sie blenden mich!
BR: Schreien Sie nicht wie ein Mädchen, sonst hole ich meine Voltigierpeitsche heraus. Die müsste ich auch noch testen.
VW: Warum ist Jenny noch nicht da? Ich hab um Hilfe ges...
BR: Keine Sorge, sie hört mit Jeannie mit.
VW: Sie hören beide zu? – Jenny, helfen Sie mir! Der Kerl ist irregeworden. Er will mich schlagen! Hören Sie! Schla...
BR: Seien Sie doch still! Jenny hat eh gewonnen.
VW: Was!?
BR: Sie hat getippt, dass Sie sie um Hilfe erbitten werden.
VW: Das hat sie nicht! Oder etwa doch?
BR: Verzeihung, ich meinte Jeannie, nicht Jenny.
VW: Und warum kommt sie dann nicht rein und hilft mir?
BR: Weil sie es nicht kann.
VW: Wieso?
BR: Jenny hat keine Zugriffsberechtigung zu diesem Raum.
VW: Aber Jeannie kommt doch rein. Sie soll mir helfen!
BR: Wieso sollte sie das tun? Sie weiß wie ich nur zu gut, dass Sie noch keine einzige meiner ›Missionen‹ erfüllten.
VW: Und deswegen wollen Sie mich jetzt verprügeln?
BR: Wie ich schon sagte, ich werde Sie nicht verletzen.
VW: Dann stecken Sie den Totschläger wieder weg.
BR: Toddy, das ist ein einzigartiges Multifunktionsgerät.
VW: Ja, und? Was bringt mir jetzt diese Aussage?
BR: Ich werde Sie nicht schlagen, ich werde Ihnen mit dem Unikat sogleich einen dezenten Elektroschock verpassen.
VW: Weil ich Ihre verrückten Ideen nicht umgesetzt habe?
BR: Ganz recht. Und weil ich den Taser testen will und ...
VW: Sie sind wahnsinnig!
BR: Auch da stimme ich Ihnen in gewisser Weise zu.
VW: Das werde ich nicht zulassen!
ERZ: VW steht unvermittelt auf und sein Stuhl fällt dabei nach hinten. BR, der immer noch den ›Totschläger‹ auf VW gerichtet hat, drückt daraufhin einen weiteren Knopf und aktiviert damit den Taser. Eines der Projektile trifft VW am Oberbauch, das andere dummerweise mitten in seine Weichteile. Vom Geräusch verunsichert schreit VW auf, weicht reflexartig einen Schritt weit nach hinten und stolpert über den am Boden liegenden Stuhl. Sein Hinterkopf prallt zuerst gegen die Wand, ehe er die Balance verliert und auf die rechte Seite zu Boden fällt, wohlgemerkt ohne sich dabei abstützen zu können. Von der Verkettung unglücklicher Umstände selbst beeindruckt, lässt BR den Knopf sofort los.
BR: Scheiße, Mann. Jeannie mach die Tür auf! Jenny soll rein – sofort! Ihr Chef ist ohnmächtig, zumindest liegt er ...
ERZ: Die Tür öffnet sich und AVW betritt den Raum.
AVW: Was ist passiert?
BR: Er ist gestolpert und gefallen.
AVW: Und wurde elektrogeschockt.
BR: Das leider auch.
ERZ: AVW untersucht VW kurz und gibt Entwarnung.
AVW: Er wird es überleben. Vermutlich hat er eine kleine Gehirnerschütterung und die Wunde am Hinterkopf muss genäht werden. Er braucht jetzt erstmal ein wenig Ruhe ... Guter Schuss übrigens, wenn ich das anmerken darf.
BR: Danke. Soll Milutin ihn vielleicht ausfliegen?
AVW: Das wird nicht notwendig sein, ich bekomme das hin.
BR: Das beruhigt mich ungemein. Verstehe bitte Jenny, das lag nicht in meinem Interesse. Ich wurde bedauerlicherweise angewiesen, ihm einen kleinen Denkzettel zu erteilen ...
AVW: Schon gut. Kann der Raum abgedunkelt werden?
BR: Ja, selbstverständlich. Jeannie, ...!
Epilog
Auch mir fehlen die Worte. Die Berater-Verwalter-Situation ist zum Ende hin eskaliert. Das lag nicht in meiner Absicht. Es wird besser und wieder kürzer werden – versprochen.
___
* Braune, Tim und Kammholz, Karsten. Verbot für Kurzsteckenflüge? Kritik am [Frans-]Timmermans-Vorstoß. Hamburger Abendblatt 17. Mai 2019.
Online-Quelle: https://www.abendblatt.de/politik/article217922299/Verbot-fuer-Kurzsteckenfluege-Kritik-am-Timmermans-Vorstoss.html.* Braune, Tim und Kammholz, Karsten. Verbot für Kurzsteckenflüge? Kritik am [Frans-]Timmermans-Vorstoß. Hamburger Abendblatt 17. Mai 2019.
** Engl. Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Short-haul_flight_ban.
Anmerkung: Da es
in der deutschsprachigen Wikipedia keinen Eintrag zu Kurzstreckenflugverbote
gibt, könnte ein Verschwörungstheoretiker par excellence glattweg darauf
kommen, dass hier Lobbyismus dahintersteckt.
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Kommentare zum Post
(
Atom
)
oh, ohhhhhh .. durch das dauerhafte voranstellen des VW & BR ist es meeeegaanstrengend anzuhören .. fast schon eine tortur :-)
AntwortenLöschenDu kannst es auch lesen, Jaro. Das ist übrigens der sprechende "Hans", der macht sein Zeugs. Das "BR" und "VW" kann ich nur weglassen, wenn ich zwei Sprecher wählen würde, was möglich wäre, aber ziemlich viel Zeit verschlucken würde.
LöschenWenn du das Beraterinnen-Buch für lau postalisch zugeschickt haben möchtest, schreib mir ne Mail an kontakt@nachadla.de. Ich glaube, du warst einer von vielen, denen ich es versprochen hatte.