Die zehnjährige Feder
Das sprichwörtlich unbeschriebene Blatt Papier schaut mich jäh an. Die schwarze Tinte am Kiel einer rechten Flugfeder eines Vogels mit braun-weißem Kleid ist schon lange getrocknet. Und ohne langes Drumherumgerede, muss ich mir eingestehen: es existiert kein weißes Blatt, da ist keine schwarze Tinte. Die Feder jedoch, die braun-weiße mit schwarzen Einsprengseln, die habe ich – und: sie wäre mit einem Fässchen voller Tinte o. ä. tatsächlich dazu befähigt mit ihr etwas niederzuschreiben. Dafür bräuchte man lediglich einen Menschen, der rechtshändig schreibfähig, selbstredend auch des Schreibens inklusiver einer Schriftsprache, mächtig ist. Nun, was hält mich also davon ab? Schließlich erfülle ich die Kriterien, auch die das ich kein Linkshänder bin … und doch werde ich es unterlassen einen Versuch damit zu unternehmen, denn: Ich tat es ja ohnehin schon im Geiste und zweifle nicht an besagtem; exakt deswegen verzichte ich auf die praktische Übung, denn ich muss mich nicht selbst (davon) überzeugen, dass ich es kann.
Man stelle sich nur mal vor, ich täte es und würde in einer immerzu narzisstischer-werdenden Welt derart abtauchen, dass ich mich dabei unisono noch filmen würde, um das Endprodukt - bis ins letzte Detail aufgepimpt & musikalisch untermalt - auf eine soziale Plattform zu stellen, damit eine imaginäre Schar an "Gleichgeilen" sich beim "Reinziehen" darüber ergötzen könnte, um ein Smiley oder ein Like dazulassen. Manchmal glaube ich ja, dass es andere Gründe für solche Zerwürfnisse (innerhalb einer Gesellschaft) gibt. Vielleicht sind zu viele Menschen sich selbst zu viel, ihrer überdrüssig, und können sich daher und ihresgleichen nicht auf die lange Dauer eines Tages (abzüglich Schlafphasen) ertragen. Und gesetzt den Fall die steile These träfe zu, dann ist das mitunter ein zu beobachtendes Phänomen der Wohlstandsgeplagten, an denen die Natürlichkeit abperlt wie ein Regentropfen an einem Pflanzenblatt – mit dem drastischen Unterschied dass kein Tropfen bei Bipeden eine Wirkung entfacht, die man in irgendeiner Form als nachhaltig bezeichnen dürfte.
Ich hatte heute einen interessanten Beitrag über Nebelkollektoren in den bunten Internetwelt vernommen, also quasi das Fischen zu Lande – oder sollte ich eher sagen: in trockenen, regenarmen Gebieten, denn genau da werden die Konstrukte eingesetzt. Die Idee dahinter ist recht simpel und - richtig umgesetzt - doch sehr gewinnbringend. An den senkrecht stehenden Netzen bleibt der Nebel hängen und es entstehen Wassertropfen, die daraufhin in eine darunterliegende Auffangrinne tropfen. Laut den Angaben der Hersteller können - an den richtigen Stellen postiert (bspw. im Hochland mit viel Nebel) - mitunter pro Quadratmeter Netz und pro Tag 6-22 Liter Wasser an Ertrag "gefischt" werden. Das reicht zwar bei Weitem nicht aus für einen einzigen Wohlstandsgebeutelten, doch ist es überaus ausreichend für die dortigen Bewohner – und damit letztendlich erstaunlich.
Zurück zu den Schreibhänden. Es gab mal eine Zeit, wo es hierzulande verpönt war, wenn Menschen die linke Hand zum Schreiben, Malen, Zeichnen, Musizieren oder gar bei sportlicher Betätigung benutzten. In 2022 bedarf es nicht vieler Generationen für eine Rückschau. Mein Großvater väterlicherseits (geboren 1922) war so ein "Umgepolter". Aus seinen späteren Erzählungen vernahm ich, dass er im Nachhinein die "Sache" Niemanden übel nahm, vielleicht sogar in Teilen daraus einen Vorteil für sein weiteres Leben erhaschte. Ein seichtes Beispiel fiele mir dazu spontan ein: Im Fußball war er beidfüßig. Wäre er nicht mit 18 Jahren zum Kriegsdienst einberufen und an die Front geschickt worden (inkl. 5-jähriger Gefangenschaft irgendwo in Sibirien), so hätte er wohl beim (SSV) Jahn (aus) Regensburg eine andere "Karriere hingelegt". Nun, "Wenn-Dann"-Szenarios sind oft recht reizvoll, ich dagegen mag sie nicht, obgleich ich gerade eine solche (materiale) Implikation vom Stapel ließ, bei der ich mit einer überaus großen Wahrscheinlichkeit ("dann"), ohne "Wenns und Abers" und sonstigen Überlegungen, niemals existent gewesen wäre.
Der mittlerweile verstorbene Wiener Theologe (kath.) Adolf Holl publizierte Ende des vergangenen Jahrtausends ein provokantes Werk mit dem Titel "Die linke Hand Gottes" (Untertitel: "Biographie des Heiligen Geistes"), in dem er sich u. a. die Frage laut stellte, ob es einen Zusammenhang zwischen der Kreativität G'ttes und der nachgesagten Kreativität von Linkshänder geben könnte. Wäre er heute noch am Leben würde ich ihm eine andere polarisierende Idee ins Ohr flüstern (links oder rechts, das ist einerlei): "Denke an die Steintafeln, Mose, den Berg Sinai, ..." – und ich glaube, er würde rasch ergriffen ein "Heureka" als "conclusio" herausposaunen und sogleich die ersten Zeilen eines möglichen Nachfolgebandes in die uralte Underwood klopfen (vorausgesetzt er hätte ein Stück Papier zur Hand, wahlweise in der Farbe Weiß). Stelle man sich das einst Dargebotene - die "10-Gebote-Situation" - durchweg einfach vor, so muss man unweigerlich zu diesem Schluss kommen: "Gott war ein Linkshänder", denn Rechtshänder halten den Hammer in der rechten Hand und den Meißel in der linken. Sie schlagen also nach links, was dazu führt, dass von rechts nach links gemeißelt wird. Btw: Hebräisch schreibt man allerdings (heute noch) von links nach rechts.
Die goldene Frage: Warum schrieb ich all diesen Unsinn?
Die blecherne Antwort erschreckt: Ich hatte es zu tun.
Mein Weblog feierte am vergangenen Freitag (nach dem Schabbat) das 10-jährige Jubiläum (est. Aug 12, 2012). Ein (meinerseits gesetzter) Haken, jene frohe Kunde in die Welt zu dröhnen, hinderte mich daran gewaltig, ohne mir dabei weh zu tun: In der Periode Freitag nach Sonnenuntergang bis zum sonnabendlichen Untergang dergleichen hatte ich es mir abgewöhnt Dinge zu verfassen (aka. Werke zu tun). Am nachfolgenden Sonntag erwachte ich zwar früh (für meine Verhältnisse), hatte allerdings andere Belange im Sinn + darüber hinaus keinerlei Inspiration für einen Beitrag, der schon zur hauseigenen Tradition wurde/verkam, vielleicht auch leider. Glücklicherweise arbeite ich in einer katholisch-geprägten Region Frankens, in der Mariä Himmelfahrt als ein arbeitsfreier Tag nach wie vor gilt. Wäre dem nicht so gewesen, hätte ich wohl mit der Tradition gebrochen, welche Art von Implikation hin oder her (hier zuträfe); vulgär gesagt: "Scheiß auf Wenn-Dann-Hypothesen! Es gibt hier nichts zu gewinnen - machen Sie sich vom Acker, wir (sic!) feiern später (nach)!"
Ach, was soll der Geiz! Ich teile mit euch (abschließend) ein Lied, welches mir beim Schreiben jener spärlichen Zeilen beiwohnte. Es geht zwar nur bedingt um Federn (siehe Refrain: "I can sit for hours here and watch the emerald feathers play"), aber ... siehe oben (oder unten).
("Video nicht verfügbar" kann erscheinen,
"Auf YouTube ansehen" klingt aber gut!)
"Auf YouTube ansehen" klingt aber gut!)
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