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Gastbeitrag: Der Mythos

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 Social Media (Pt. 34)


Für den nachfolgenden Gastbeitrag genügt mein (formeller) Disclaimer am Ende leider bei Weitem nicht. Bei einigen allen der hier zitierten oder erwähnen Personen bin ich mir nicht sicher, ob sie bei ihren getätigten und (teils) (ver)schriftlich(t)en Äußerungen in der Meinungsfindung waren, eine/ihre eigene Meinung vertraten oder gar in der festen Ansicht (Überzeugung) dessen leb(t)en. Persönlich halte ich es für schwierig derlei - nennen wir es mal nicht Theorien, sondern - Thesen in einem gemeinsamen Kontext zu stellen. Für mein gefestigtes Weltbild sind Auseinandersetzungen mit solchen Überlegungen unter dem Deckmantel der Philosophie, bestückt mit säkularen oder dogmatischen Anschauungen, grundsätzlich sehr selten zielführend und bei falschem Einstieg sogar irreführend.     

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Der Mythos
Von Frank-Reg. Wolff

Der Mythos will uns glauben machen, am Anfang hätte es jenen Paradiesgarten Eden gegeben, aus dem das erste Menschenpaar der Geschichte aus Ungehorsam vertrieben wurde. Wahrlich, eine bedeutungsvolle Metapher vom Baum der Erkenntnis, war und ist doch das Paradies in erster Linie das der Kindheit, in dem wir einst unschuldig und zeitlos lebten, im Augenblick des täglichen Spiels aufgingen und eins mit uns und unserer kleinen Welt waren. Aus dieser paradiesischen Zeit der Kindheit wurden wir durch Konditionierung, was gemeinhin als "Erziehung" bezeichnet wird, und "Bildung" vertrieben. Ich glaube es war [Theodor W.] Adorno der einmal schrieb: "Schön ist, was jenseits aller Erklärung einfach nur schön ist." Und unsere Kindheit, das Fundament unseres späteren Lebens, war - so wir Glück hatten - eine schöne Zeit! Ich persönlich hatte nicht das Glück einer schönen Kindheit und Jugend, weshalb das damals gelegte Fundament vielleicht nur für jene behelfsmäßige Hütte reichte, in der ich heute mit vielen Büchern glücklich mit meiner kleinen Familie lebe. Tatsächlich erlebe ich durch meine spätgeborenen Söhne Aramis und Lionel das mir selbst einst versagte Kindheitsparadies bewusst und intensiv, um darüber an dieser Stelle reflektierend schreiben zu können. In einem Interview mit dem französischen Anthropologen [Claude] Lévi-Strauss auf die Frage: "Was ist der Mythos?", antwortete Lévi-Strauss:
 
"Wenn Sie die Frage einem amerikanischen Indianer stellen würden, würde er Ihnen wahrscheinlich antworten, dass es eine Geschichte sei aus der Zeit, bevor Menschen und Tiere getrennte Wesen wurden. Diese Definition scheint mir sehr tiefgründig zu sein. Denn trotz der Tinte, die von der jüdisch-christlichen Tradition zur Verschleierung dieses Tatbestandes vergossen wurde, ist keine Situation tragischer, verletzender für Herz und Geist als die einer Menschheit, die mit anderen lebenden Spezies zusammen existiert und mit ihnen die Freuden des Planeten teilt, ohne fähig zu sein, sich mit ihnen zu verständigen."*
 
Dass sich die heutige technische Zivilisation der "führenden Menschheit" auf dem digitalen Holzweg befindet, dürfte schon vielen anderen wachen Geistern unter meinen Artgenossen klar geworden sein. Ein israelischer Zeitgenosse namens [Yuval Noah] Harari hält rückblickend die Sesshaftwerdung des Menschen vor 7000 Jahren für den Kardinalfehler in  der menschlichen Entwicklung. Der Philosoph Hans Jonas glaubt[e], es wäre für die Menschheit besser gewesen auf dem zivilisatorischen Niveau des römischen Imperiums verblieben zu sein. Tatsächlich sind wir durch den falsch verstandenen Satz, uns die Erde [zum] Untertan zu machen, d. h. nichts anderes als diese auszubeuten und zu versklaven, auf dem zivilisatorischen Holzweg jener mittlerweile vierten industriellen Revolution der Digitalisierung angelangt: im Anthropozän!
Dieses menschgemachte Zeitalter ist das Zeitalter unserer Selbstüberschätzung und der globalen Naturzerstörung, welches in der sich anbahnenden Klimakatastrophe ihr Ende finden wird. Es wird vielleicht nicht das Ende der Menschheit sein, jedoch wird die Menschheit nach dem Ende des Anthropozäns eine geschrumpft und geläuterte sein müssen, so sie überhaupt ein Anrecht auf Zukunft haben kann.

Abschließend noch etwas Lyrik, die ich vor 20 Jahren schrieb:

1.
Traurige Schakale lagern übersättigt
vor stinkenden Massengräbern.
Nur die geschassten Götter sind in kognitot,
neue Halbgötter regieren den Zeitgeist,
der lang entfloh der mythischen Flasche.
Die Abermillionen hypnotisch-flimmernden Weltaugen
des riesigen TV-Molochs
spiegeln momenthaft todestolle
Assasinen im Feiztanz;
segnen Rabenpriester auf Flugzeugträgern die Waffen
jener U-SS Brave New World,
die längst dem Untergang geweiht,
ein Treppenwitz verfaulender Geschichte,
noch immer dekadent-morbide Blüten treibt.
Auf diesen Dollar-Blüten prangt ihre einzige Wahrheit:
IN GOD’S MONEY WE TRUST -
Auf Handrücken und Stirn ihr Börsen-Zeichen:
Kaufen & Verkaufen!
Verhökert schon heute die Ernten zukünftiger Sommer
der noch ungeborenen Hungerleider.
2.
Das Kamasutra der Toten ist eine Erfindung der Lebenden,
die im unendlichen Beischlaf belangloser Worte ein Wunder zeugten:
La Petite Mort de la Poesie.
Dort, zwischen den Buchseiten,
vertrocknen die Blüten des Bösen,
paaren sich lyrische Salamander im Feuer,
gedenke ich all der kurzweiligen Liebschaften,
die ein Menschenopfer verratener Liebe wurden.
3.
Wenn der Wüstenregen deine Spuren verwischt,
dann kehre nicht um.
Leg´ ab das Gewand aller Hoffnung
und schau in den Siegel des Augenblicks:
Du in deiner Nacktheit,
bist durch keinen Reichtum mehr zu blenden.
Auch die Grabbeilagen großartigster Liebe,
sind eitles Blendwerk vergangener Zeit.
Dass dir nichts bleibt außer deiner selbst,
ist besser als das Nichts aller Illusion.
4.
Wenn die Herbststürme kommen,
verhängen wir die Augenfenster
unserer kleinen Hütte
mit dicken blauen Tüchern;
verlangsamen unsere Bewegungen,
um von Stund an gelassen nur zu sein.
Zweisam sitze ich dann mit ihr,
meiner schönen Blinden,
in abgedunkelten Augenblicken;
dann erzählt sie mir mit lieblichweichen Fingern,
auf dem Klangflügel ihrer jahreszeitlichen Melancholie
von fast vergessenen chopinschen Winterreisen
in lang entschwundene Welten.

Herzlichst
yours frankly
Frank & happy family

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Anmerkungen und Hinweis:
Weitere Texte vom Autor findet man hier: https://sinnbuch.blogspot.com/.
Internetlos empfehle ich bei Interesse sein Erstlingswerk über mich zu ordern: info@nachadla.de.
(Formeller) Disclaimer: Nicht alle Passagen entsprechen meinem Weltbild und wurden dementsprechend von mir bei der Eingabe und der Nachlese nicht geprüft, insbesondere blieben sie unzensiert. Vom Gesamtinhalt kann ich mich daher nur distanzieren und verweise für Rückfragen auf die oben aufgeführte E-Mail-Adresse.
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Hier handelt es sich definitiv nicht um die ursprüngliche Übersetzung von Hans-Horst Henschen; im Deutschen erschien das Interview von Didier Eribon mit Claude Lévi-Strauss unter dem Titel "Das Nahe und das Ferne. Eine Autobiographie in Gesprächen". Frankfurt am Main 1989. ISBN 3-10-021405-6. Auszüge der Original-Translation finden sich bspw. hier: https://taz.de/Die-Ausuebung-des-Denkens/!1804792/ [13.02.2022]. Das franz. Original erschien unter dem Titel "De près et de loin". Jacob, Paris 1988. ISBN 2-7381-0039-2. Ich vermute als Quelle daher eine Neuauflage mit veränderter - in diesem besonderen Abschnitt will ich fast sagen: verfälschter, da verkürzter - Übersetzung. 
Nachtrag 16.02.2022: Tatsächlich stammt das (veränderte/abgewandelte) Zitat aus dem Roman "Vogelweide" von Uwe Timm aus 2013 [books.google.de-Direktlink].

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