Schlüpfrig, schwarz
Reflexion (Pt. 6)
Diese Erzählung ist hier fehl am Platz. Es wäre etwas für mein gesprochenes Blog. Doch wenn Bildergedanken schwarz sind und der IC-Recorder ausbleibt, muss ich reflektieren, vielleicht mit einem gesellschaftskritischen Blickwinkel aus eigener Sicht (wie auch sonst? - sic!). Mich an vergangene Dinge zu erinnern, fällt mir normal leicht, wenn ich Bilder habe. Ohne bleiben indes nur Worte. Viel Vergnügen bei der Lesung der Lektüre.
Schwarz. Irgendwann begann ich zu fragen, denn irgendwann schöpfte ich Verdacht, nämlich dass nicht jeder in ähnlicher Weise wie ich dachte. Es wird bestimmt schon über 20 Jahre her sein, als ich einfache Fragen stellte wie z. B.: "Was siehst du, wenn du die Augen schließt?". Die spontanen Antworten kann man auf 2 1/2 Äußerungen beschränken: 1) "Schwarz" (bzw. "Nichts"), 2) mit der Gegenfrage "Was soll ich sehen?" und 2 1/2 mit einem Mischmasch aus 1+2. Probanden, die letztere Äußerung vornahmen (2), schätzte ich aus einem Grund heraus: Sie schlossen nicht prompt nach der Frage die Augen. Positiv bewertet hatte ich es dennoch nicht, sogar völlig unbefangen, was ich durchaus nicht hätte sein können, wenn man auf eine Frage keine Antwort bekommt. Keine Antwort ist immer noch besser als eine Gegenfrage, vor allem wenn sie wie eine Kugel aus einer Kanone schießt, zeugt das doch von einer vorschnelle Aburteilung oder Entscheidung, was auf ein und demselben hinausläuft - die Frage wurde vom Empfängerohr als Schwachfug deklassiert. So eine Aussage hinter geschlossenen Händen ist ohnehin unehrlicher Natur, denn man versteckt damit seine Empfindungen. Gespräche an dieser Stelle fortzuführen ist langatmig, schwierig, reizarm und lästig mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde, so zumindest war mein Fazit aus der vergangenen Zeit. Manchmal ließ ich mich darauf ein, meistens aber nicht. Was hier mit einer simplen Frageaussage getätigt wurde, änderte die Gesinnung des Geistes des Stellers in die Richtung, dass man von seinen eigenen Bildergedanken abgeschnitten wurde; die Kugel schoss aus der Kanone und traf ihr Ziel, ein farbreiches Band, sehr mittig und durchtrennte damit die Verbindung zwischen Empfindungen und Bildern. Auf so einer Basis diskutierte ich damals ungern - heute sowieso (nicht).
Mir war klar, die "Typus-2-Kategorie'er" verschwiegen ihre Innenwelt, entweder aus Verschlossenheit oder aus dem Grunde, weil es ihnen nicht bewusst war und/oder keinen (wertvollen) Teil ihres Lebens einnahm; das innere Sein wurde ausgeschlossen von der einzigen Realität, die sie kennen wollten, der reizvollen Welt äußerer Sinne. Sie taten mir leid und ich schämte mich meiner Existenz, weil ihre so beschaffen war.
Gestern Abend war ich kurz ein "Einser". Ich sah schwarz, aber nicht Nichts, denn ich sah sehr viel. Es war zuerst alles schwarz und dunkel. Und es war direkt vor mir und ich mitten drin im Nirgendwo. Wenn man nichts sieht oder die Sicht getrübt ist, so schärfen sich die anderen Sinne. Bei mir war es die Nase, die sich meldete. Es roch nach etwas Vertrautem, nicht unbedingt angenehm. Der Geruch drang mit jeder Sekunde stärker an mich heran und wurde immer unangenehmer. Egal wo ich war, ich musste wo anders hin. Mein freischwebendes Sein eines teleportierten Träumers ließ sich von seinem Riechorgan treiben, dorthin, wo es nicht so giftig "duftete". "Weniger giftig" lässt es sich auch umschreiben, und umso näher ich kam, umso genauer konnte ich beide vernommenen Geruchserlebnisse auf zwei Duftnoten festlegen: Weichspüler und behandeltes Holz. Beides tot in seiner/ihrer eigenen Existenz. Ich war alleine unter Unlebendigen.
Jetzt erst wurde mir bewusst, in was ich mich im Geiste hineinteleportiert hatte (, nicht manifestiert - wohlgemerkt). Es war mein ca. 1 Meter hoher und 1 1/2 Meter breiter Garderobenschrank. Ich saß im Schneidersitz und war jetzt Teil von ihm, Nun, nicht komplett. Ich besetzte 2 der 4 unteren großen Schubladen und war mit meinem Haupt in einer der drei oberen Schubladen, mit großer Sicherheit der auf der linken Stirnseite. Das ist nicht gerade ein angenehmes Empfinden, daher hielt es mich nicht lange in diesem Objekt und an jenem Ort. Im Traum stand ich auf und befand mich nun direkt in der Garderobe, die mir bis zur Hüfte ging. Ich konnte daher meine Füße nicht erkennen, alles unterhalb der Gürtellinie war verdeckt. Da ich mich als Träumer selten von außen betrachte, konnte ich dieses Bild nicht erhaschen, es muss aber gespensterhaft ausgesehen haben: Ein menschlicher Oberkörper, der aus einer Garderobe herausragt, der Unterleib bleib verborgen, denn er ist Teil dieses Möbelstücks aus Massivholz. Nun ja, zum Glück war es weiterhin dunkel in diesem Nebenraum, von daher schenkte ich dem ganzen nicht mehr viel Beachtung und erlöste mich selbst von einer misslungen Traumreise, die mich weder in der Zeit zurück noch aus dem Gebäude transferierte, wo ich sie begann.
Für meine Verhältnisse sah ich also schwarz oder eben nichts.
Ich öffnete meine Augen und sogleich war die Erkenntnis da - Schlüpfer, in der Farbe schwarz, mein ständiger Begleiter durch den Tag, egal von welcher Maskerade der Leib verhüllt wird.
Der Traum kam wohl nicht von ungefähr, denn an besagtem Tag wechselte ich meine umhüllenden Stofffetzen bereits mehrmals. Erst war ich der Schlafer, dann der Hundeausführer, lange Zeit der Nebenbuchhalter, am frühen Abend der Fußballtrainer ... bis ich am Abend wieder zum Schlafer wurde. Ja, ich habe für jede Tätigkeit andere Kleidung. Der Schlafer oder der Lebende hinter Steinmauern hüllt sich in einfachen Klamotten, maximal ein Stück für die Gebeine, und eines für den Oberkörper. Alles andere bleibt blank. Der Hundeausführer zieht je nach Witterung andere Kluft vor, i. d. R. aber mindestens 3 Bedeckungen für die Fortbewegungsmittel (2 Paar Socken in ein Paar Schuhen [egal bei welchem Wetter]), einem Beinkleid, 2-3 Oberbekleidungselemente inkl. einer Jacke und fürs Haupt noch eine Mütze, einen Schlauchschal o. ä., manchmal auch noch etwas für die Handgreifer. Der Nebenbuchhalter hält es schlichter. 1 Paar Socken und Schuhe, eine Hose, zwei Kleidungsstücke für den Oberkörper [egal bei welchem Wetter]. Der Fußballer ist ähnlich ambivalent wie der Hundeausführer - er passt seine Maske den Witterungsverhältnissen an, ohne jetzt näher darauf einzugehen.
Was in den Beschreibungen fehlte: die Unterhose. Alle Verhüllungsstoffe werden von mir gewechselt, sogar die Socken, habe ich doch andere Socken als Hundeausführer, Fußballtrainer und als Nebenbuchhalter, sogar andere Schuhe [...]. Der Schlafer kommt ganz ohne aus. Alle 3 Figuren benötigen aber dieses eine... ja, das "kleine Schwarze". Dies wird niemals an einem dieser Tage gewechselt, wo man jene Rollen einnimmt. Indes gibt es sogar noch mehr: Ich kann an einem Tag sogar in 5 Identitäten schlüpfen, möglicherweise auch in 6, 7... maximal 8 würde ich sagen. Eine wäre die des Hundebesuchstherapeuten, des "Ausgehers", die beide wiederrum andere Stoffe um ein und demselben Leib gehüllt haben, der eigentlich nur eines sein will: nackt.
(gezeichnet am Altweiberfasching Zwanzigsiebzehn AOR)
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