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Entfremdung durch Entfremdung

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Über- oder bedenkenswert (Pt. 15)

http://nachadla.blogspot.com/2013/08/entfremdung-durch-entfremdung.html


"Sein statt Haben" < oder eher > "Haben oder Sein"
(Werbeslogan BMW, 1985) < o.e. > (Erich Fromm, 1976)

Der Mensch ist gerne frei von jedweder Art von Herrschaft, die auf ihn selbst ausgeübt wird. Auf der anderen Seite übt er sie selbst aus. So ist die Haltung eines Tieres immer mit einer Herrschaft zu verstehen.
Die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel lehrt uns bei unachtsamer Auslegung die Rechtsamkeit dieses Herrschaftsgebildes (Genesis 1,28): "(...) bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen." Liest man ALLERDINGS achtsam weiter erfährt man in der Genesis 1,29 folgendes: "(...) Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen." Ich lese hier keine Herrschaft, die darauf aufgebaut ist, dass der Mensch gewaltsam vorzugehen hat, schon gar nicht über Tod oder Leben zu entscheiden hat, nicht einmal wie im genaueren Bezug das Leben eines "Getiers" auszusehen hat. Ich lese eher daraus ein gemeinsames Miteinander, welches im Zentrum die immer gern titulierte "Krönung der Schöpfung" sieht.

Es ist mir durchaus klar, dass sich im weiteren Verlauf das ganze etwas anders aufbaut, aber das soll mal dahingestellt sein. Wer die Reinheitsgesetze gerne nachlesen möchte - bitte! - überlege aber auch, weshalb deren Geltungsbereich nur beim Judentum liegen soll, nicht jedoch beim Christentum. Ferner ist es wohl ein anderes Thema zu interpretieren was in dieser verlinkten Lutherübersetzung mit "scheu sein" oder dergleichen zu verstehen ist. In der Einheitsübersetzung meiner "portablen" Hausbibel für Katholiken wird gleiches mit "abscheulich" betitelt. Beide Variationen gefallen mir persönlich in keinster Weise.
Wenn mir der kurze Ausflug in den Koran verziehen ist möge ich erwähnen, das hier das Blatt in Form der ersten Sure (der sog. "Eröffnung") ein wenig genauer aufgeschlagen ist, wo nicht nur die Gnade und Barmherzigkeit Gottes (Allah), sondern auch seine Herrschaft über den Menschen eindeutig angesprochen wird. 
Abseits von religiösen Modellen möchte ich in Bezug auf die Herrschaft im weltlichem Bereich Darwins These "Der Stärkere verfügt über den Schwächeren" ins Gedächtnis rufen. Evolutionär gesehen muss hier aber weiterhin von einer Übergreifung von Gattungen in erster Linie abgesehen werden.
Nach einem Erich Fromm verschwimmt das allerdings schnell mit Beginn der Sesshaftigkeit der ehemaligen Jäger und Sammler. Gelang es zu Anfangs noch Überproduktion matrizentrisch und gerecht aufzuteilen, wurde später schnell daraus eine Unter- bzw. Überbevor-/nachteilung derer die entweder zu wenig für die Gesellschaft taten und/oder zu viel Land besaßen. Und hier hat ein Fromm m.M.n. "ins Volle" getroffen, wenn er behauptet, dass zu dieser Zeit erstmals Klassen innerhalb einer sozialen Struktur zu erkennen waren.
Es soll für den Leser kein Geheimnis sein, das ich (dessen "Mentor" auch den Namen Fromm trug)  ferner ebenfalls damit einhergehe, dass der Bruch durch die Reformation kam, die insoweit ein anderes Glaubensbekenntnis für die arbeitende Bevölkerung in ihrer Gesinnung hatte. Anstelle von Gott trat nun das Geld bzw. das gehandelte Gut in den Vordergrund. Gottes Gnade in einer tugendhaften Arbeitsmoral zu finden schlich sich in den Köpfen des "Fußvolkes" ein.
--- Das Bild und das Thema ---

Es ist ein strittiges Ding, ob der erwähnte Erich Fromm mit dem verzerrten Titelbild der Flagge von Befürwortern des Anarchosyndikalismus etwas gedanklich zu tun hatte. Dennoch bin ich der Ansicht, das er weder mit dieser Weltvorstellung noch einer auf marxistischen Modell aufgebauten gänzlich unzufrieden gewesen wäre.
Fakt ist, dass er nicht wie ein Theodor Adorno oder ein Max Horkheimer keine Lösung der - und hier sind wir beim Thema - Entfremdung des Menschen sieht. Ich zitiere aus dem Buch Erich Fromms - Eine Einführung in Auszügen: "Ich zweifele nicht an der Möglichkeit, eine Industriegesellschaft aufzubauen, die auf die volle Entfaltung des Menschen zielt und nicht auf maximale Produktion und maximalen Konsum (...) Ich glaube, daß das zunehmende Gewahrwerden der menschlichen Konsequenzen unserer Form gesellschaftlicher Organisation und unseres Planens ohne Rücksicht auf Werte zu einem entscheidenden Faktor für das Überleben unserer Zivilisation werden kann."
Mein Blick in diesem Artikel fällt auf die Entfremdung des Menschen zur Natur und dessen Entfremdung zu Seinesgleichen, aber besonders zur "Andersgattigten".
Folgt man dem biblischen Bild und des dort umschriebenen Garten Edens, kann dem neutralen Betrachter nur unter Zuhilfenahme verbohrter Ansichten ein Ungleichgewichtsbild aufkommen. In diesem Paradies lebte Mensch und alles Getier wohl in völliger Einheit zusammen. Das Darwin'sche Prinzip "Fressen und gefressen werden" hatte hier keinen Abnehmer. Ganz im Gegenteil! Liest man die Bibel so wie sie geschrieben ist, waren wohl alle Tiere dankbar den Menschen zu dienen. Schließlich gab er ihnen nicht nur deren Namen, sondern auch deren Bestimmung mit auf den Weg. Im Gegenzug genossen die Tiere die Anwesenheit des Menschen so wie heute der gemeine Haushund die Streicheleinheiten seines Herrchens rückenlägerig oder geschmiedet an die Gebeine in völliger Ergebenheit beansprucht, obgleich die großen Rassen jederzeit fähig wären diesen Zweibeiner mit einem Biss zu erledigen.
Folgt man der Theorie der Evolution stellt sich eine unumgängliche Frage in Bezug auf die Enfremdung des Menschen zur Natur: warum um alles in der Welt sollte der vom Affen stammende Mensch sich seiner ureigenen Kenntnisse selbst berauben? Oder anders herum gefragt: warum kauen Affen ganz gezielt auf Weidenrinden herum, aus dessen Extrakt bekanntlicherrweise Aspirin gewonnen wird?
Grundsätzlich ist die Frage nach dem Weshalb und Warum es zu der heutigen Entfremdung des Menschen zur Natur gekommen ist zwar interessant, aber auch gleichsam ablenkend sofern man keine brauchbare Lösung entgegen dieser Gegebenheit hat; oder anders ausgedrückt: eine Lösung wie Mensch wieder Eins mit der ihm (von Gott) gegebene Welt/Natur wird oder bekommen kann. 
Der Ethnobotaniker Dr. Wolf-Dieter Storl hat in eimem seiner Vorträge einmal beiläufig erwähnt, dass statistisch gesehen der heutige Mensch nur sechs - in der Zahl: 6! - Pflanzen kennt. Leider - und ich widerspreche trotz Befangenheit zu Statistiken dies rein praktisch wirklich ungern - kann ich das bei meinem heutigen 10jährigen Sohn bestätigen, der ein Musterschüler wäre, hätte er nicht die Note 3 im Fach zum Thema Heimat- und Sachkunde in der 4. Klasse bekommen (seine einzige 3, sonst nur "Einser" und "Zweier"). Das ist mir insoweit sogar etwas peinlich, da ich selbst bei dem damaligen Unterricht (1990) kaum ein Interesse zeigte und ebenfalls diese Note erhielt (sont nur ... s. o.). Schlägt mein werter Sohnemann nach mir, wird er sich heute wie ich damals wohl auch fragen, weshalb man sich mehr Namen von Pflanzen oder Blumen merken soll als vielmehr deren Aussehen und Bestimmung zu kennen.
Mit meinem kleine Erguß läßt sich schnell erkennen, wo die Defizite des heutigen sogenannten Bildungswesens zu finden sind. Und ich kann den Lehrern dafür nicht mal eine Schuld geben, da sie selbst in ihrer Bildung doktriert wurden mit Unsinnigkeiten und darüber hinaus einem Lehrplan, der genau das weitergeben soll, obgleich vielleicht der ein oder andere gerne mehr beisteuern würde, aber befangen zu sein scheint dies auch praktisch umzusetzen.

--- Fortsetzung (07.08.2013) ---

Ich versuche mich mal kurz in der Definition von Entfremdung, so wie ich es verstehe bzw. so wie es heute negativ beurteilt werden kann:
  • Umgestaltung und Vereinnahmen der Natur durch den Menschen (auf allen Ebenen)
  • Abgrenzung zur Natur sowie auch zu allen Lebewesen (dieser)
  • Selbstfremdwerdung seiner eigenen Fähig- sowie auch Tätigkeiten
  • Fremdsehen anderer Lebewesen sowie auch der eigenen Spezies (Mensch)
  • Verfremdung des Selbstgeschaffenen (in allen Bereichen)
In der Ursprünglichkeit war eine Enfremdung jedoch positiv zu sehen, wurde aber - wie oben schon angeschnitten - durch die Zeit der Reformation bzw. in der Renaissance oder am Anfang der Romatik peu à peu zu dem gemacht, wie es heute leider darsteht.
Jemand, der sich früher entfremdete, lies sein materielles Hab und Gut hinter sich, ebenso wie alles, was zu der oder seiner weltlichen Sicht gehörte. Sein Ziel war die Vorbereitung oder Rückführung zum Göttlichen.
Was früher so war, könnte heute ebenfalls noch leicht umzusetzen sein. Bedauerlicherweise ist die Entfremdung in ihrer negativen Konjunktion nicht nur im Sprachwort veankert, sondern im gänzlichen Leben ein fester Bestandteil geworden.
Um das näher zu skizzieren bedarf es einer Erklärung, die ich gerne auf mein Eingangszitat von Erich Fromm stützen möchte. Der Autor des 1976 erschienen Buches "Haben und Sein" hat dies äußerst genau untersucht und auf den Punkt gebracht. Anhand eines Beispiels möchte ich das kurz auf den Nenner bringen.
Haben-Prinzip
Der Haben-Typ kauft sich kurz vor Ladeschluß zwei Brötchen zum Schnäppchenpreis und ist völlig glücklich über seine kostengünstige Ausbeute sowie auch über sein geniales Wissen darum, das ihm zum Ziel dieses Erwerbs führte. Er setzt sich mit seinen Brötchen auf eine Parkbank vor einem Teich und verspeist das erste vor den Augen der Enten und einem Obdachlosen in der Nähe. Sein Hunger ist jetzt teilweise gestillt und er beginnt langsamer zu kauen. Ohne Schuldgefühle wird er aber auch das Brötchen #2 vertilgen ohne etwas für die Enten übrig zu lassen. Auch der auf einer anderen Bank sitzende Mittellose wird nicht beachtet, wenn dann nur mit einem abfälligen Blick oder sogar mit unlauterer Worte auf seine Situation hingewiesen.
Soll-Prinzip
Ein Mensch des Soll-Typs kauft sich ebenfalls zwei Brötchen zum Schnäppchenpreis ohne das er es allerdings vorher erhofft hätte - ein Zufallstreffer sozusagen. Er setzt sich auf die gleiche Bank am Teich, bemerkt die sich nähernden Enten und gibt bereits beim ersten Brötchen ihnen etwas ab. Mit interessierten Augen beobachtet er wie die Enten die Stückchen aufschnappen und überlegt, ob er ihnen noch das zweite Brötchen abgibt. Doch da fällt ihn auch der Obdachlose auf. Er schläft auf einer anderen Bank, sein Hut liegt auf den Boden. Er erkennt seine Misslage und legt das Brötchen #2 zusammen mit paar Geldstücken still und leise in dessen Hut, geht hinfort ohne diesen zu wecken. Ggf. ärgert er sich, dass er keinen Stift und einen Zettel zur Hand hatte, um den den Obdachlosen noch eine kleine Nachricht zu hinterlassen. Er macht sich vielleicht Sorgen, ob es nicht zu kalt werden würde in der Nacht....

--- Fahren wir fort (08.08.2013) ---

Und zwar mit der Bahn....
Nach den obigen Worten habe ich zum gefühlten x-ten Male die Geschichte [ist eben Sommer(wiederholungs)zeit] des früheren gut bekannten Hip Hop MCs Rene und dessen BahnCard100-Abenteuer in der Sendung "Eins zu Eins" auf Bayern 2 (Radio) belauscht. Um- oder ausgeschalten habe ich dabei nicht, ganz einfach weil danach eh der Nachtmix mit Helge Schneider kam :-)  
Was hier zum Thema passt ist ein Zitat von Benjamin Franklin "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.", welches der o.g. Künstler in einem Interview in etwa wiedergab und weiterfolgend sagte "... weil Sicherheit nur eine Ilusion ist, die uns die Gesellschaft vorgauckelt, damit wir zufriedener oder besser schlafen können."
[René El Khazraje, Quelle: http://music.freshmilk.tv/unplugged/im-interview-mc-rene/]

Für mich ist es nicht wunderlich, dass eben solche, die der Kunst frönen zu Einsichten kommen, die so naheliegend sind, dass "Normalos" nicht eine Sekunde Zeit dafür aufwenden würden. Vielleicht weil man durch das Ausleben von Kunst oft in eine Ausweglosigkeit gerät, die schlußendlich in eine Bejahung der entfremdeten Gesellschaft führt. In der Kunst kommt man zu sich, kann diesen Seinszustand allerdings nicht dauerhaft halten um machtvoll gegen den Strom zu schwimmen.
Damit ich nicht Gefahr laufe völlig am Thema vorbei zu schreiben, komme ich jetzt zu meiner eigentlichen Aussage des Artikels.
Die Entfremdung war ein vom Menschen generierte zu Anfangs schleichender Prozess, und skurilerweise endete er zugleich für die wenigen, die ihm konträr gingen meist auf Irrpfaden.
Ich mache ungern Kindheitserinnerung kaputt, aber bestens drückt das die Textzeile aus Pippi Langstrumpf
"... ich mach mir die Welt, ... wie sie mir gefällt" [Quelle] aus, denn genau das hat der Mensch über die vielen Jahrtausende seiner Existenz wirklich schlecht geschafft.
Philosophisch ist unerheblich welche Konjunktion wann die Entfremdung hatte, denn letzten Endes war sie stehts eine Wegkehr von der Natur und straffte uns nicht nur mit Unwissen, sondern auch mit allen anderen Folgen, die damit einhergingen.
So kann Mensch heute sich nur wieder finden, wenn er den Weg der positiven Entfremdung oder eben der Umkehr ganz geradlinig geht. Das wiederum ist in einer entfremdeten Gesellschaft nicht zu meistern und führt nur hinfort von so einer. Wer sich heute im normalen Sprachgebrauch innerhalb der sich haltenden normalen Bevölkerung einer entfremdeten Zivilisation der tatsächlich Entfremdung hingibt, geht zwar den richtigen Schritt, wird aber auf Dauer immer mehr anecken und nur dann erfolgreich sein wenn er sich von dieser abwendet, sich tatsächlich körperlich entzieht, abgesondert von ihr lebt und möglichst wenig mit ihr in Verbindung tritt.   
Ein kleines "Ergo" zum Schluß: Wem die heutige Welt schon fremd erscheint, der kann sich sie entweder malen wir er will und in ihr zwangsweise aufgeben oder aber ihr auf kurz oder lang den Rücken kehren, dann aber bitte zum eigenen Wohle für immer.       

"Was und wie viel der Mensch ist und nicht,
was und wie viel er hat, bestimmt seinen wahren Wert."

(Erich Fromm, "Haben oder Sein")

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