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•••Ⓚontakt

KC † vor 25 Jahren

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O f F t O p I c (Pt. 51)
Rein hypothetisch laut gedacht: Wenn ich mal eine Partneranzeige aufgeben würde - WENN! -, dann an diesem Tag mit einem Text, denn ich gleich verlauten werde. Vorher gilt für mich persönlich die Feststellung - Dude, du wirst nicht nur alt, du bist es schon!
Die Anzeige...


"Vermögender (sic!) Hagestolz sucht polyamorphes Lesbenpaar ohne männlichen Anhang für zeitweilige Besuche. Wenn ihr nicht auf Männer steht, bekommen wir das schon hin. Damit es allerdings zu keinen Übergriffen meinerseits kommen kann, gilt folgende Bedingung: Bitte zieht keine High Heels über Nylonstrapse, denn dann mache ich den Moonwalk auf Erden und singe dabei: 'Hey pretty baby with the high heels on.' ... Ach ja, ihr solltet in einem Alter sein, dass ihr von euch behaupten könnt, den Tod von Kurt Cobain zumindest rechnerisch lebend mitbekommen zu haben. Wenn ihr damals schon einen Führerschein hatte, scheidet ihr in meiner Auswahl leider ebenso aus. Go on girl(s)!"


Gut möglich, dass mir das Gleiche wie vor 25 Jahren passieren könnte, wahrscheinlich nicht in echt, aber zumindest beim Lesen dieser fiktiven Anzeige könnte ich mir die eine oder andere weibliche Person vorstellen, die mir gerne nicht nur gedacht eine Ohrfeige verabreichen wollen würde. Diesen Gedanken gehen einher mit einer Tragödie, und ja, Tragödien haben in aller Regel kein Happy End. Lasst mich kurz die Geschichte erzählen, wie ich die Meldung des Todes des Sängers der Band Nirvana mitgeteilt bekam (und wann und wie usw.).

Es war - Überraschung - nicht der 4. April 1994. Damals gab es nur Internet für Nerds und Informationen flossen langsamer über den großen Teich. Und ja, weil heutzutage jeder Internet hat, ist ergo jeder ein Nerd (sic!). Ich war damals aber noch kein Nerd, und wahrscheinlich bin ich es heute auch noch nicht, trotzdem habe ich Internet - seltsam.
Wie auch immer, es war Freitag, der 8. April (des gleichen Jahres). Ich war seit dem Ende der Schule im Jugendheim zusammen mit ein paar anderen Freaks, die man ebenso damals wie heute nicht als Nerds bezeichnen würde. Die meisten könnte man in die Punk- oder Rock/Metal-Richtung kategorisieren, heute wohlgemerkt. Damals waren wir alle Freunde, denn es gab nur ein Jugendheim mit Raucherzimmer usw. Eine undenkbare Vorstellung in der Jetztzeit, in mehreren Belangen. Ich beruhige in diesem Sinne ungern, weil ich es nicht kann. Alkohol war zwar offiziell nicht gestattet zu trinken (- zu trinken, nicht das Mitbringen und Kaltstellen! -) in den Räumlichkeiten der Gemeinde, aber der ortsansässige Pfaffe war sehr liberal für einen Katholiken. Um ehrlich zu sein, sah ich ihn nur ein oder zwei Mal im Jahr zu uns hochkommen. Seine Bude war im Parterre, uns "gehörte" das erste Obergeschoss, alles im gleichen Gebäude, schräg gegenüber - und quer über einer Kreuzungsstraße - das Kirchenschiff. Er, der Pfarrer, kam auch nicht hoch, um uns zu besuchen, sondern um an die Abmachung zu erinnern, die wir per Handschlag mit ihm seinerzeit schlossen: das Abhalten von Jugendgottesdienstes 2 x jährlich. An jenem besagtem Freitag kam Hochwürden nicht leise die Treppen hochgeschlichen, ganz das Gegenteil war der Fall. Unsere Stereoanlage (- ja, Stereo, nicht mono! -) war zwar stets deutlich über Zimmerlautstärke eingestellt, so dass wir in aller Regel nie mitbekamen, was außerhalb geschah, aber an diesem Tag war alles irgendwie anders. Es kam zwar schon oft vor, dass es mal unter uns laut wurde, aber eher weniger oft, dass nur einer der zusammengewürfelten Truppe die Stimme erhob, um auf sich aufmerksam zu machen oder eine Streitigkeit zu schlichten/heraus zu beschwören. Wir waren alle lieb miteinander, ehrlich. Geprügelt wurde auf der Straße, nicht im Haus. Auch so eine Abmachung mit dem Pfaffen. 
Wie auch immer - ich mag Absätze, die mit "wie auch immer" anfangen -, jemand wurde laut, sehr laut, hysterisch kreischend laut. Jemand war eine JemandIN, also eine Sie. Gendern gab es damals noch nicht, aber kreischende Sie's, wie heute, schon (, mit und/oder ohne Deppenapostroph). Jene Person(In) war nicht nur im Treppenaufgang laut, sie machte auch schon auf der Straße auf sich aufmerksam. Und das in einer solchen Tonhöhe, dass selbst wir dies mitbekamen (bei gewohnter Musik auf Zimmerlautstärke). Gut, die Fenster waren offen, eines zumindest, nicht weil es ein schöner Frühlingstag war, sondern eher weil gerade die Sonne schien und jemand meinte, er müsste außerhalb des Raucherraums, im (nicht sogenannten) "Wohnzimmer" eine Fluppe qualmen. Bei einem solchen Fehlverhalten musste natürlich Sorge getragen werden, dass ja kein kalter Rauch ein Nichtraucherzimmer in ein geru(e)chliches Ekeltal verwandelte, daher war das/ein Fenster (ein wenig) offen. Draußen jedenfalls schrie dieses, damals 15-jährige Mädel, die es offensichtlich eilig hatte zu uns zu kommen, wie ein Hysterische [nachfolgend so genannt, des Datenschutzes (und so) wegen]. Wir dachten erst, sie hätte Liebeskummer oder dergleichen, weil wir auch zeitnah merkten, dass sie nicht wirklich nur schrie, sondern eher heulend wehklagte. Trotzdem - oder: trotz alle_dem - rafften wir schnell, dass sie völlig außer sich war, zumindest einige von uns, die noch keinen Alko... ja, also, zurück zum Text, ein wenig beschleunigt und ein wenig verkürzt, weil die Pointe noch folgen soll und ich nicht ewig alten Brei aufkochen will. Wie ich das schaffe, weiß ich (noch) nicht...
Wie auch immer - ... -, sie kam letztendlich hoch, blieb im Türbogen stehen und tat uns mit zitternder Stimme und völlig außer sich ihre Offenbarung kund: "Er ist tot!" Die daraus logische Gegenfrage kam von irgendjemanden, der auf der Couch herumlungerte: "Wer ist tot?" - die Antwort: "Na Er!". Der Fensterraucher wollte es zwischen einem Lungenzug genauer wissen. "Wer ist 'Er'", sprach er und atmete dabei den Rauch aus seinen Nasenflügeln. Die Hysterische meinte darauf lediglich: "Kurt!" Und dann, ja dann, weil keiner mehr was entgegnen wollte, kam ich an die Reihe. Ich brach die einsetzende Stille mit einer, dummerweise falschen, Detailfrage: "Mit 'C' oder mit 'K'?". Ein stiller Beobachter hätte zählen können. Eins, zwei, drei - KLATSCH! Der dumme Frager, ich, hatte die Backpfeife nicht besser verdient. Und der gedachte stille Beobachter hätte abermals zählen können. Eins. Zwei. Drei. Ich hielt meine linke Wange und setze nach. "Hey, für was war das? Ich weiß es echt nicht." Eins. Eineinhalb. ZACK! "Du Arsch!" Jesus war mein Freund, damals schon. Die Sache mit der anderen Wange kam mir in den Sinn, und hätte ich daraufhin nicht meine beiden Wangen gehalten, hätte ich wohl eher meine Weichteile vor einem erneuten Angriffsversuch geschützt. Sie zog also ihr rechtes Bein schwungvoll aus und ... irgendjemand hielt sie davon ab. Ich glaube es war der Couchherumlungerer, der übelst schnell aufsprang. Er nahm sie in seine Arme und ihr Kopf ging gegen seine Schulter. In diesem Zustand brachte er sie raus aus dem Raum, den Flur entlang, rechts herum direkt ins Raucherzimmer. Da stand ich nun. Ein anwesendes Mädchen ging mit bösem Blick an mir vorbei, ein Junge folgte ihr schulterzuckend. Und ich stand da wie ein Idiot, dem immer noch kein Lichtlein aufgegangen war. Der Fensterraucher lachte mich aus, weil ich wohl echt albern aussah, wie ich da stand, die Hände auf beiden Wangen und total verwirrt. Glücklicherweise klärte mich die auch anwesende "Chefin" (sie hatte den Schlüssel und war Bindeglied zw. uns und der Kirchenorga) sogleich auf. "Sie meinte Cobain". Eins. Zwei. Drei. Ich traute mich keine Frage mehr zu fragen und beließ es beim dummen, nichtsahnenden Gucken. "Von Nirvana". Eins. Zwei. Drei. Meine Stirn tat jetzt plötzlich auch noch weh. Die Chefin hatte mich noch nie geschlagen. Doch offenbar bekam ich gerade von ihr eine aufs Hirn, wahrscheinlich um mein Gedächtnis anzuregen. Und ja, es funktionierte. 
(Wie auch immer,) Die Tragödie war für mich an diesem Tag nicht der Tod von Kurt Cobain, sondern die Ausmaße, die sich in der darauffolgenden Zeit ereigneten. Die Hysterische sprach einige Tage nichts mit mir, und es vergingen Woche, bis ich mir mal wieder von ihr eine Zigarette zu schnorren getraute. Unser Verhältnis erhielt einen unbieg-/liebsamen (sic!) Knick. Es waren traumatische Ereignisse seinerzeit - für eine Jugendlichen in der Adoleszenz -, und auch an diesem Tag. Denn die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende; nicht weil ich ungern als Idiot dastehe, sondern weil es schon damals Leute gab, die noch ein wenig mehr ignorant oder unbedarft sein konnten, als ich es damals schon sein konnte - aus Dummheit wohl (ge-/vermerkt).
Wie auch immer (...), ungefähr eine halbe Stunde später kam ein Punk mit grün-rotem Irokesen rein, der echt gut aufgelegt war und von allem natürlich nichts wusste [Wir erinnern uns: 1994, Internet, Nerds...]. Die Hysterische war im Raucherraum, ich saß auf der Couch und der Fensterraucher war wieder am Fenster rauchen(d). Der Punk steuerte zielstrebig zu unserer Anlage, ich glaube mit jenen Worten: "Ich hab jetzt Bock auf alte Scheiße." Er nahm die Abdeckung vom Plattenspieler ab und kramte kurz in unsere Vinylsammlung. Seine Zielstrebigkeit konnte von der Zwischenfrage "Hast du es schon mitbekommen?" vom Fensterraucher nicht unterbrochen werden. "Erzähls mir später, ich brauch das jetzt." Auf der Hülle des herausgesuchten Objekts sah ich einen Mann mit weißem Haar und Sonnenbrille, eine Gitarre in der Hand. Er trug einen weinroten Pullunder, darüber ein himmelblaues Hemd mit dunkler Krawatte. "Oh, ich glaube, das ist keine gute Idee", sagte die Chefin. Der Punk hingegen winkte ab und ... Eins. Zwei. Drei. Kurzes Knittern, "Ja, ja, so blau blau blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglühen wir uns wiedersehen." Eins. Zwei. Drei. Die Türe vom Raucherraum ging auf, mehr lauter als leise. Die Hysterische kam wie eine Hysterische (eben) raus und noch vor dem Ende der Strophe "Mit ihren ro-ro-ro-roten Lippen fing es an, die ich nie vergessen kann" knallte es. Diesmal konnte sie niemand vor einem zielsicheren Fußtritt zwischen die Beine, ja, direkt in die Weichteile des zielstrebigen "Ich-brauch-das-jetzt"-Punks, abhalten. Der Rest ist geschenkt. Der Idiot, ich, schaute nur dumm zu und kam nicht auf den Gedanken lauthals loszulachen, wie beispielsweise - leider - ein jener Fensterraucher ... seinerzeit.

Ja, so war das damals. Die Geschichte ist vorbei - leider und leider ... -, weil ich es so will und keiner mehr Fragen hat, wie auch immer.

† KC

Und wie sagte es die Tagesschau vor 25 Jahren?
Eine Tragödie, wenn es wahr ist...

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